Ökumenisches Heiligenlexikon

Ort und Umstände des Todes von Paulus


Prof. Helmut Bouzek aus Wien hat für uns die wesentlichen Erkenntnisse über Ort und Umstände des Todes von Paulus dargestellt:

Es gibt keine historischen Anhaltspunkte über den Tod des Paulus. Nimmt man an, dass die Abberufung des Prokurators Marcus Antonius Felix und damit die Amtsübergabe an Porcius Festus im Jahr 60 erfolgt ist und das Schiff mit dem Gefangenen Paulus im Herbst des gleichen Jahres von Cäsarea Maritima absegelte und die Besatzung wegen schwerer Stürme auf einer Insel überwintern musste, so dass Paulus erst im Jahr 61 italienischen Boden betreten konnte, musste er das Jahr 60 überlebt haben.

Da Paulus nach Apostelgeschichte 28, 30 zwei volle Jahre in seiner Mietwohnung verbrachte und alle empfing, die zu ihm kamen, konnte er nicht im Jahr 62 verstorben sein. In der Apostelgeschichte heißt es weiter nur: Er predigte das Reich Gottes und lehrte von dem Herrn Jesus Christus. mit aller Freimütigkeit ungehindert.

Manche Historiker behaupten, Paulus sei im Sommer des Jahres 64 - im Verlauf der Christenverfolgung von Kaiser => Nero - hingerichtet worden. Es ist allerdings sehr umstritten, ob die nach dem Brand von Rom (vom 19. bis 28. Juli 64) ergriffenen Maßnahmen als Christenverfolgung bezeichnet werden können. Die Brandursache konnte nicht eindeutig geklärt werden. In der Antike gab es viele unterschiedliche Meinungen dazu, wie das auch noch in der Gegenwart der Fall ist. Einerseits wurde Kaiser Nero der Brandstiftung bezichtigt und andererseits wurde den Christen die Schuld zugeschoben. Nero wurde unterstellt, er wollte Platz für seine Paläste schaffen oder nach einer aufgedeckten Verschwörung den Adel bzw. den Senat schwächen. Den Christen, die in unmittelbarer Erwartung des Reiches Gottes lebten, wurde die geplante Vernichtung des heidnischen Rom vorgeworfen. Dass die Christen unschuldig waren, stellte Plinius 60 Jahre später fest.

Wenn man davon ausgeht, dass dem katastrophalen Brand Brandstiftung zugrunde gelegen ist, muss die Frage gestellt werden, wer dafür in Frage kommen könnte.

Einige renommierte Historiker halten den Brand für Vorboten der Verschwörung gegen => Nero. Allerdings würden nur Verrückte oder zum Märtyrertum entschlossene Fanatiker ausgerechnet bei hellem Vollmond, der damals herrschte, einen Brand legen. Solche Fanatiker gab es, und zwar bei extremistischen Gruppierungen der christlichen Bewegung. Die ersten Christen erwarteten das Ende der Welt - so wie Jesus, wie heute allgemein bekannt ist. Sie sehnten sich glühend danach und glaubten, dass das Ende kurz bevorstünde. Für die Radikalsten unter ihnen galt Neros Rom mit seinen liberalen Sitten als Sodom und Gomorrha. Das Tier mit den sieben Köpfen, das aus dem Meer herauf kommt aus der Offenbarung des Johannes (13, 1) ist Rom. Dieses Rom musste nach der Offenbarung zum Weltende Tod, Leid, Hunger und Feuer erleiden. Etliche moderne Historiker gehen von der Annahme aus, dass ein Fanatiker Worte wie diese als Aufruf verstanden haben könnte.

Tacitus berichtet, dass verhaftete Christen nicht nur Geständnisse ablegten, sondern sogar schon gestanden, bevor sie festgenommen wurden. Warum diese Selbstbezichtigung? So handeln nur Fanatiker, die nach Ruhm streben und denen der Tod gleichgültig ist. Es mag sein, dass die Christen die Schuld für den Brand - ein Zeichen für das Ende der Welt - im Märtyrerdelirium auf sich nahmen, ohne selbst Rom angezündet zu haben. Es ist aber durchaus möglich, dass einige extreme Glaubensbrüder bewusst das Märtyrertum suchten und wirklich das verdorbene Rom abfackeln wollten. Menschen, die für ihren Glauben zu allem bereit waren, hatten auch keine Angst vor Repressalien, sie waren geradezu erpicht darauf. Paulus selbst äußerte sich in seinem Römerbrief besorgt über den Extremismus einiger Glaubensbrüder und ermahnte sie, die Behörden nicht zu provozieren.

Das Feuer galt den Christen als Symbol der Katharsis und würde alle Schande der Welt für immer ausmerzen. So äußern sich jedenfalls der 1. Petrusbrief (Ihr Gelieben, lasset euch durch die Feuersglut [der Leiden] bei euch, die zur Versuchung über euch kommt, nicht befremden, als widerführe euch etwas Befremdliches; sondern … freuet euch; 1. Petr. 4, 12. 13), die Johannes-Offenbarung (18, 8) und auch Jesus (Ein Feuer auf die Erde zu bringen, bin ich gekommen, und wie sehr wünschte ich, wäre es schon entfacht, Lukasevangelium, 12, 49).

Als die Christen die Zerstörung Roms öffentlich feierten und es zu spontanen Geständnissen kam, begannen die Prozesse. Diese wurden sehr sorgfältig nach speziellen Brandstiftungsgesetzen durchgeführt. Da jedoch auch Angeklagte gefoltert wurden - bei Sklaven war das erlaubt - wurden sicher auch viele Unschuldige hineingezogen. Auch die Juden, die in den Christen eine häretische Sekte sahen, sorgten durch Denunziationen dafür, dass die Zahl der Beschuldigten wuchs. Von den rund 3000 Mitgliedern der Christengemeinde wurden 200 bis 300 angeklagt. Es wurden nicht alle Angeklagten zum Tode verurteilt. Es gab auch Freisprüche und geringe Strafen. Die Art der Todesstrafe richtete sich nach den damals üblichen Gesetzen: Tod durch Verbrennen, den Hunden zum Fraß vorwerfen bzw. Kreuzigung für Sklaven und Nichtrömer.

Jedenfalls gilt => Nero zu Unrecht als erster Christenverfolger. Nur wegen einer schweren Straftat wurden die Beschuldigten angeklagt, nicht wegen ihres Glaubens, wie es kirchlicherseits noch heute behauptet wird. So bezog sich die angebliche Christenverfolgung unter Nero auch nur auf die Stadt Rom und war auf die unmittelbare Zeit nach dem Brand begrenzt. Auch wurde die große Mehrheit der Gemeinde, die nicht der Brandstiftung verdächtigt war, in Ruhe gelassen. Nero war in religiösen Dingen stets tolerant. Dem römischen Volk allerdings waren die Juden und Christen suspekt: sie glaubten, die Christen seien dem Kannibalismus (so wurde die EucharistieDie Eucharistie - von griechisch „ευχαριστειν, Dank sagen” - vergegenwärtigt das heilvolle Sterben Jesu Christi. Die Römisch-Katholische, die Orthodoxe und die Anglikanische Kirche nennen diese Mahlfeier im Anschluss an 1. Korintherbrief 11, 24 Eucharistie, die Evangelischen Kirchen sprechen von „Abendmahl” im Anschluss an Markusevangelium 14, 17 und 1. Korintherbrief 11, 23. missverstanden), dem Kindermord, rituellen Orgien und dem Inzest ergeben. Der hochgelobte Seneca bezeichnete die Juden als kriminellste aller Rassen.

Paulus könnte also auch das Jahr 64 überlebt haben.

Die meisten Historiker nehmen das Jahr 67 als Todesjahr an. Einige Historiker behaupten, Paulus habe nach seiner Freilassung - nach einem etwa vierjährigen Aufenthalt in Rom - seine Missionstätigkeit wieder aufgenommen.

Erzählungen über das Martyrium des Paulus tauchten erst im 2. Jahrhundert auf. So sind u. a. die Paulusakten zwischen 150 und 200 in Kleinasien entstanden. Diese apokryphe Apostelgeschichte erzählt in legendärer Weise Erlebnisse, Taten und Martyrium des Apostels Paulus. In diesen Paulusakten ist zu lesen: Und unter der Menge wird auch Paulus gebunden herbeigeführt; auf ihn blickten alle Mitgefangenen, so dass der Kaiser merkte, dieser müsse der Befehlshaber sein. … Als aber der Kaiser das gehört hatte, gab er den Befehl, alle Gefangenen mit Feuer zu verbrennen, Paulus aber zu enthaupten nach dem Gesetz der Römer. … Darauf stellte sich Paulus hin gegen Osten und erhob die Hände zum Himmel und betete lange; und nachdem er im Gebet auf Hebräisch mit den Vätern sich unterredet hatte, neigte er den Hals, ohne noch weiter zu sprechen. Als aber der Henker ihm den Kopf abschlug, spritzte Milch auf die Kleider des Soldaten. Der Soldat aber und alle, die dabei standen, wunderten sich, als sie das sahen, und priesen Gott, der dem Paulus solche Herrlichkeit gegeben hatte. Und sie gingen hin und berichteten dem Kaiser, was geschehen war.

So wird sich die Sache kaum abgespielt haben. An den Prozessen im Jahr 64 hatte => Nero nicht teilgenommen und 67 war er das ganze Jahr über in Griechenland. Der Kaiser hatte also andere Sorgen, als sich mit Paulus zu beschäftigen. Nero starb am 9. Juni 68, was Paulus in diesem Jahr widerfahren ist, bleibt unbekannt. Er könnte ohne Martyrium gestorben sein oder weiter gelebt und missioniert haben.

Prof. Helmut Bouzek, E-Mail vom 6. März 2005


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Web 3.0 - Leserkommentare:

Hallo liebes Team von heiligenlexikon.de,
hiermit möchte ich mich in die Diskussion Ort und Umstände des Todes von Paulus einbringen.
Herr Prof. Bouzek antwort auf den Leserbrief von Herrn Schevalje unter anderem: Auch wenn dem Kommentator ein Märtyrerdelirium albern vorkommt, kann es nicht ausgeschlossen werden, dass einfältige und ungebildete Christen, die ja die Mehrheit der neuen religiösen Gruppierung stellten, die mündlichen Überlieferungen vom Feuer und seiner vernichtenden bzw. reinigenden Kraft, die später bei Lukas und in der Offenbarung nachzulesen waren, wörtlich nahmen und angesichts des erwarteten Endes der Welt möglichst rasch die ewige Seligkeit erreichen wollten.
Wie bekannt ist, hatte das Christentum in seinen Anfängen viel Zulauf aus den unterpriviligierten Schichten. Dass diese in der Regel keine hohe Bildung besaßen, ist anzunehmen. Mit seiner Wortwahl suggeriert Herr Prof. Bouzek, dass die Mehrheit der jungen Christenheit nicht nur ungebildet sondern auch einfältig gewesen sei. Desweiteren geht er davon aus, dass aus dieser Einfalt eine kriminelle Energie resultierte, die zu so einem schweren Verbrechen, wie Brandstiftung führte.
Vielleicht erklärt uns Herr Prof. Bouzek, wie er darauf kommt? Gibt es Belege für diese These außer dem dezenten und wagen Hinweis auf allgemeinen, in den drei abrahamitischen Religionen immer wieder vorkommenden Extremismus und Fanatismus?
Herr Prof. Bouzek schreibt in seinem Beitrag: Tacitus berichtet, dass verhaftete Christen nicht nur Geständnisse ablegten, sondern sogar schon gestanden, bevor sie festgenommen wurden. Warum diese Selbstbezichtigung? So handeln nur Fanatiker, die nach Ruhm streben und denen der Tod gleichgültig ist.
In seiner späteren Erklärung zitiert Herr Prof. Bouzek Tacitus folgendermaßen: Zunächst also ergriff man diejenigen auf, die bekannten ... Herr Prof. Bouzek erklärt dazu, dass Tacitus es offen läßt, ob sich ein kleiner Teil der Bevölkerung Roms als Brandstifter oder als Christen bekannte. Außerdem sein die Annalen des Tacitus unsicher überliefert und schwer deutbar.
Was sagt mir das nun? Ein Beweis für die Richtigkeit der weiter oben aufgestellten Behauptung ist das mit Sicherheit nicht. Es könnte bestenfalls die Möglichkeit bestehen, dass sich die Ergriffenen der Brandstiftung bekannten. Dass sie dieses aus religiösem Fanatismus taten, ist reine Spekulation.
Trotzdem behauptet Herr Prof. Bouzek: Da nach Brandstiftern gesucht worden und die religiöse Überzeugung zunächst kaum gefragt war, muss angenommen werden, dass sich einige extreme Glaubensbrüder zur Brandlegung bekannten und damit bewusst das Märtyrertum suchten, aber auch wirklich das verdorbene Rom abfackeln wollten.
Wieso muss angenommen werden, dass …? Wie kann man versuchen, Behauptungen mit Spekulationen zu beweisen? Warum werden wage Vermutungen als Tatsachen hingestellt?
Mit freundlichen Grüßen

Antonia Witte über E-Mail, 5. März 2012

Antwort auf den Leserkommentar der Frau Antonia Witte

Ich kann und will es nicht behaupten, aber vermuten darf ich es, dass Frau Witte ein Problem damit hat, dass Kaiser => Nero nicht der grausame Urheber der ersten Christenverfolgung war und sich fanatische Christen nach dem Brand Roms im Jahr 64 n. Chr. zu unlogischen Hand-lungen hinreißen ließen. Beim Lesen meines Antwortschreibens auf den Leserbrief des Herrn Wilfried Schevalje hat sie wohl richtig bemerkt, dass ich die Meinung vertreten habe, die Mehrheit der neuen religiösen Gruppierung habe aus einfältigen und ungebildeten Christen bestanden, die die mündliche Überlieferung von der reinigenden Kraft des Feuers missverstehen konnte, wie sie aber zu der Annahme verleitet werden konnte, dass ich die Christen des Verbrechens der Brandstiftung bezichtigt habe, ist mir nicht klar.
Frau Witte missfällt mein relativ harmloses Urteil über die junge Christenheit, was mich vermuten lässt, dass sie sich nicht mit dem Werturteil des Paulus über seine christlichen Schwestern und Brüder auseinandergesetzt hat.
Möglicherweise sind Frau Witte auch die Begriffe Brandstiftung, Brandlegung, fahrlässiges Herbeiführen eines Brandes, grob fahrlässiges Herbeiführen eines Brandes und Herbeiführen einer Feuersbrunst nicht geläufig.
Auch hat sie übersehen, dass es in meinem Beitrag vom März 2005 u. a. heißt: Die Brandursache konnte nicht eindeutig geklärt werden … Dass die Christen unschuldig waren, stellte Plinius 60 Jahre später fest.
Ich bedaure es, dass mein Hinweis auf den religiösen Fanatismus in den drei abrahamitischen Religionen für Frau Witte zu dezent ausgefallen ist.
Unvereingenommene Nutzer eines Heiligenlexikons sollten m. E. darüber hinreichend informiert sein, weshalb die Darlegung von Beispielen unterblieben ist.
Im weiteren Verlauf ihres Schreibens zitiert Frau Witte aus meinen Ausführungen der Jahre 2005 und 2011 und findet keinen Beweis für eine Behauptung, die es offensichtlich nur in ihrer Lesart gibt.
Interessanterweise kommt sie aber zu dem Schluss, dass sich von den Organen des Staates Ergriffene zur Brandstiftung bekannten, glaubt aber nicht an religiösen Fanatismus. Ein anderes Motiv konnte Frau Witte aus mir verständlichen Gründen nicht anbieten.
Fanatismus im engeren Sinn ist durch das unbedingte Fürwahrhalten einer bestimmten Vorstellung und meistens durch Intoleranz gegenüber jeder abweichenden Meinung gekennzeichnet. Der Fanatiker will häufig andere von seinen Ansichten überzeugen, lässt jedoch seinerseits keinerlei Zweifel an der Richtigkeit und dem besonderen Wert seiner Überzeugungen zu. Vielmehr verteidigt er sie vehement gegen jede Infragestellung und ist dabei einer vernünftigen Argumentation nicht zugänglich. Die betreffende Vorstellung ist seinem kritischen Denken bzw. Reflexionsvermögen entzogen. Damit verbundene negative Konsequenzen für sich selbst oder andere werden als solche nicht erkannt bzw. anerkannt.
Erscheinungsformen von Überzeugungen, die häufig in fanatischer Weise vertreten werden, sind u. a. extremistische Ideologien, Rassismus, Fundamentalismus und religiöser Fanatismus.
Wenn man zurückliegende Ereignisse zeitlich einordnen und möglichst objektiv beurteilen will, dazu aber keine datierte Urkunde und/oder genaue Beschreibung zur Hand hat, bedarf es der Interpretation des gesamten zur Verfügung stehenden Quellenmaterials. Vor dieser Aufgabe standen und stehen Historiker des öfteren. Aus diesem Grund wird man nach Abwägung aller Fakten des Beurteilers bzw. der Beurteiler in seiner Publikation bzw. in ihren Publikationen die Formulierungen: ist anzunehmen, muss angenommen werden u. dgl. finden.
Im gegenständlichen Fall ist das Verhalten der in Rom lebenden Menschen im Allgemeinen, während und nach der Brandkatastrophe zu betrachten und zu beurteilen.
Die Einwohnerschaft des antiken Rom – die Zahl der Bewohner belief sich im ersten Jahrhundert n. Chr. auf über eine Million – drängte sich auf einer Fläche von weniger als 20 km² zusammen. Die Wohnverhältnisse waren äußerst unterschiedlich. In der ganzen Stadt befanden sich elegante Gebäude in direkter Nachbarschaft von verfallenen Häusern. Die ärmere Bevölkerung hielt sich bevorzugt auf der Straße auf, wo die Menschen einkauften, kochten und den neuesten Klatsch austauschten, weil die Bedingungen in den baufälligen Mietskasernen teilweise unerträglich waren Im Gegensatz dazu lebten die Reichen im Luxus und vergnügten sich in ihren großzügig gestalteten Domizilien bei geselligen Festmählern.
Die Menschen dieser Zeit waren Anhänger der unterschiedlichsten religiösen Kulte.
In der Geschichte Roms hatten sich die religiösen Vorstellungen laufend weiter entwickelt und verändert. Die Römer zeigten sich in ihrer Beziehung zu den Göttern als ein überaus praktisches Volk. Wenn sie sich an ihre Gottheiten wandten, ging es weniger um die so genannten letzten Fragen, sondern vielmehr um alltägliche Dinge wie eine gelungene Ernte, solide Finanzen und eine gute Gesundheit.
Vom Ende des dritten vorchristlichen Jahrhunderts an begannen orientalische Gottheiten einzudringen, deren Kulte zur Zeitenwende eine entscheidende Rolle spielten.
Die wohl wichtigste Jahreszahl für die Religionsmischung war 204 v. Chr., als der zweite punische Krieg seine unheilvollen Schatten über Rom warf. Auf Weisung des sibyllischen Orakels wurde der Kult der Magna Mater – der phrygischen Kybele – eingeführt.
Ab der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. gab es eine jüdische Gemeinde in Rom und etwa zur gleichen Zeit begannen - sehr zum Unwillen der römischen Priester und Auguren – unzählige fremde Kulte nach Rom einzusickern. Die Riten ägyptischer Mysterien und kleinasiatische ausschweifende Tempelorgien begannen sich auszubreiten. Viele Römerinnen bekundeten, wie Sueton später vermerkte, einen Hang zu ägyptischen und judäischen Riten.
In der Endzeit der Republik setzte ein allgemeiner religiöser Verfall ein. Die von griechischen Philosophen vorgetragene Religionskritik, die auch in Rom überzeugte Anhänger – wie z. B. Cicero – hatte, trug dazu bei, den Glauben der Volksmassen an die alten Götter aufzulösen.
Die Kulte wurden vernachlässigt, die Tempel verfielen, und nicht zuletzt trug der Verfall des sakralen Kalenders zum religiösen Wirrwarr bei, da durch Volkswahl bestimmte unkundige Leute in den Pontifikalkollegien wirkten. In dieser Situation hatte sich der Imperator Augustus um die Eindämmung der Auflösungstendenzen und um die Erneuerung der alten Religion, wobei er auch selbst wichtige Ämter wie das des Pontifex Maximus übernahm.
Nur wenige Jahrzehnte nach dem Tod des Jesus von Nazaret war es in der Hauptstadt des Imperiums durch namentlich nicht bekannte Judenchristen zur Gründung einer christlichen Gemeinde gekommen.
Die schwer erkämpfte, durch Augustus hergestellte innere Ruhe des Reiches, die - um ein Wort des älteren Plinius zu gebrauchen - unendliche Majestät des Friedens, schwand mit dem Auftreten der Christen endgültig dahin. Gerade jener Zustand, der ihre eigene Mission so sehr begünstigte, wurde durch sie untergraben.
Zwischen den Christen und den Juden der Stadt war es bald zu so schweren Krawallen gekommen, dass Kaiser Claudius I. Mitte des ersten Jahrhunderts Juden wie Christen, zwischen denen man kaum unterschied, ausweisen ließ: Judaeos impulsore Chresto assidue tumultuantes Roma expulit, (Er) vertrieb die Juden, die - angetrieben durch Chrestus - in Rom ständig Tumulte hervorriefen (Sueton).
Das damals vertriebene Ehepaar Aquila und Prisca traf Paulus auf seiner zweiten Missionsreise in Korinth.
Um vielleicht erneut Kritiker auf den Plan zu rufen, darf ich darauf hinweisen, dass der um 163 geborene römische Geschichtsschreiber Lucius Cassius Dio Cocceianus hingegen berichtete, die Juden seien aufgrund ihrer großen Anzahl nicht ausgewiesen worden und Claudius habe nur ihre Versammlungen verboten.
Tatsächlich gab es zu dieser Zeit rund 50.000 Juden in Rom. Sie wohnten in allen Teilen der Stadt und besaßen dreizehn bis heute bekannte Synagogen und mehrere Friedhöfe.
Die ersten Christen erwarteten das Ende der Welt - so wie Jesus, wie heute allgemein bekannt ist. Sie sehnten sich glühend danach und glaubten, dass das Ende kurz bevorstünde. Für die Radikalsten unter ihnen galt Neros Rom mit seinen liberalen Sitten als Sodom und Gomorrha.
Das Tier mit den sieben Häuptern, das aus dem Meer steigt aus der Offenbarung des Johannes ist Rom. Dieses Rom musste nach der Offenbarung zum Weltende Tod, Leid, Hunger und Feuer erleiden. Etliche moderne Historiker gehen von der Annahme aus, dass ein Fanatiker diese Worte als Aufruf verstanden haben könnte.
In der Nacht vom 18. zum 19. Juni 64 brach in dem Teil des Circus Maximus ein Brand aus, bei dem nach Tacitus von den 14 Regionen der Stadt nur vier ganz erhalten geblieben waren. Die sofort eingeleiteten Brandbekämpfungsmaßnahmen verliefen erfolglos. Erst am sechsten Tag verlöschte der Brand am Fuße des esquilinischen Hügels, nachdem man ganze Häuserviertel niedergerissen hatte, um seine Gewalt zu brechen. Effizientere Angriffe der Löschkräfte waren aufgrund der engen und unregelmäßig verlaufenden Straßen, der riesigen Insulae (Häuserblöcke) und des damaligen technologischen Standes der Ausrüstung nicht möglich, darüber hinaus wurden sie durch die Menge der Flüchtenden behindert. Panik war unter der Stadtbevölkerung entstanden und viele Menschen wurden zu Tode getreten. Bei Versuchen, Brandschneisen zu schlagen und wirksame Gegenfeuer zu entfachen, wurden die Feuerwehrkräfte oft behindert, weil diese Maßnahmen auf das Unverständnis der Bevölkerung stießen. Auch wurden während der Feuersbrunst Plünderer beobachtet und Menschen, die brennendes Holz in noch nicht brennende Gebäude warfen.
Sobald der Brand erloschen war, brachte man den Göttern die üblichen Sühneopfer dar. Man machte sich dadurch die Götter geneigt, was gleichbedeutend damit war, dass man ihnen die Schuld in die Schuhe schieben konnte.
Man befragte die Sybillischen Bücher und richtete Gebete zu Proserpina und deren Mutter Ceres, obwohl es nicht klar war, was die Göttin der Fruchtbarkeit mit dem Untergang Roms zu tun haben sollte. Die Frauen veranstalteten Prozessionen zur Göttin Juno, zuerst zu der auf dem Kapitol, dann zum Junotempel nahe dem Meer.
Die Christen hingegen feierten öffentlich die Zerstörung Roms und es kam zu spontanen Geständnissen, die Teilen der heutigen Betrachter der Situation nur schwer nachvollziehbar erscheinen.
Die Klärung der Brandursache und das Auffinden des oder der Schuldigen war die Aufgabe des Leiters der römischen Feuerwehr, des praefectus vigilum. Ihm stand die Gerichtsbarkeit über Brandstifter, Einbrecher, Räuber, Diebe und Hehler zu, wobei er, mit Ausnahme bei Sklaven, maximal körperliche Züchtigungen verhängen durfte. Im Fall von arglistigen Brandstiftungen Freier mussten diese dem praefectus urbi vorgeführt werden. Die Strafen für Brandlegung, grob fahrlässiges oder fahrlässiges Herbeiführen eines Brandes waren gesetzlich geregelt.
Es war nun zu Prozessen gegen vermeintliche Brandstifter gekommen und da auch Angeklagte gefoltert worden waren - bei Sklaven war das erlaubt - wurden sicher auch viele Unschuldige hineingezogen. Auch die Juden, die in den Christen eine häretische Sekte sahen, sorgten durch Denunziationen dafür, dass die Zahl der Beschuldigten wuchs. Von den rund 3000 Mitgliedern der Christengemeinde wurden 200 bis 300 angeklagt. Es wurden nicht alle Angeklagten zum Tode verurteilt. Es gab auch Freisprüche und geringe Strafen. Die Art der Todesstrafe richtete sich nach den damals üblichen Gesetzen: Tod durch Verbrennen, den Hunden zum Fraß vorwerfen bzw. Kreuzigung für Sklaven und Nichtrömer.
Neros Vorgehen beschränkte sich auf die Christen in Rom. Doch fabrizierte man später Dokumente, die Martyrien auch im übrigen Italien und in Gallien lokalisierten. Aber, so schrieb der katholische Priester und Professor für Kirchengeschichte Albert Erhard: Alle diese Märtyrerakten sind geschichtlich ohne Wert.

Prof. Helmut Bouzek über E-Mail, 24. März 2012

Antwort auf diese Antwort von Prof. Helmut Bouzek zum Leserkommentar von Antonia Witte vom 5. März 2012

Sehr geehrter Herr Bouzek,
vielen Dank für Ihre ausführlichen Erläuterungen!
Besonders Ihre aus wikipedia entnommene Definition von Fanatismus fand ich sehr aufschlussreich. Leider enthält sie keinen Bezug zu den drei abrahamitischen Religionen. Da nutzt auch Ihre Unterstellung von Voreingenommenheit meinerseits nichts. Im Übrigen sollten Sie Professor wissen, dass Zitate zu kennzeichnen sind, zum Beispiel so: Die Tempel verfielen, die Kulte wurden vernachlässigt, und nicht zuletzt trug der Verfall des sakralen Kalenders zum religiösen Wirrwarr bei, da durch die Volkswahl unkundige Leute in die Pontifikalkollegien hineingekommen waren. (Hans Joachim Schoeps: Religionen. C. Bertelsmann, 1961
Ihre Beiträge setzen sich aus nicht gekennzeichneten Zitaten zusammen. Sie gehen selbstverständlich nicht auf Kritik ein, was auch schwer sein dürfte, wenn man nur aus Büchern oder von anderen Seiten abschreibt.
Eine Ausnahme bilden Ihre Vermutungen über meine Person. So unterstellen Sie mir mangelndes Wissen bezüglich Paulus' Werturteil über seine seine christlichen Schwestern und Brüder. Zu einer Erläuterung dieses Werturteils kommt es allerdings nicht. Vermutlich gehen Sie davon aus, dass unvoreingenommene Menschen ausreichend informiert und damit auch ihrer Meinung sind. Wenn ich mich mit eben diesem Werturteil jedoch auseinandergesetzt hätte, würde mir Ihr relativ harmloses Urteil über die jungen Christenheit nicht missfallen. Woher wissen Sie das?
Unvoreingenommenen Diskussionsteilnehmern sollte es übrigens möglich sein, ihren Kritikern ohne Unterstellungen zu begegnen.

Antonia Witte über E-Mail, 19. Juli 2012

Antwort von Prof. Helmut Bouzek zum Leserkommentar von Antonia Witte vom 19. Juli 2012

Sehr geehrte Frau Witte !

Aufgrund oftmaliger und jeweils lang andauernder Aufenthalte außerhalb meines Wohnortes und die dadurch unterbliebene Beschäftigung mit dem Ökumenischen Heiligenlexikon habe ich den Inhalt Ihres Schreibens vom 19. Juli 2012 erst jetzt zur Kenntnis nehmen können.
Sie haben sich damit gegen die in meinem Schreiben vom 24. März 2012 enthaltenen Unterstellungen verwahrt, Kritik an der Nichtkennzeichnung übernommener Zitate geübt und die von mir angestellten Spekulationen abqualifiziert.

Ich bin in nicht böser Absicht davon ausgegangen, dass Sie – wie die meisten Menschen in unserem Kulturkreis – ein Problem damit haben, dass der ehemalige römische Kaiser => Nero nicht der grausame Urheber der ersten Christenverfolgung war und sich fanatische Christen nach dem Brand Roms im Jahr 64 n. Chr. zu unlogischen Handlungen hinreißen ließen. Weiters habe ich vermutet, dass Sie sich mit dem Werturteil des Völkerapostels über die junge Christenheit nicht auseinandergesetzt haben, was nicht mit der Vermutung, Sie hätten ein mangelndes Wissen über Paulus von Tarsus und seine christlichen Zeitgenossen, gleichzusetzen ist.
Mit der Vermutung, dass Ihnen die in Normen definierten Begriffe des vorbeugenden und abwehrenden Brandschutzes wahrscheinlich nicht geläufig sind, dürfte ich der Wahrheit nahe kommen, ist aber kaum von Bedeutung.

Das negative Bild, das viele unserer Zeitgenossen von => Nero haben, wurde und wird m. E. durch den Geschichts- und Religionsunterricht in den Schulen und durch die Publikationen mancher Autoren sowie durch Filme im Stil von Quo vadis? verursacht.
Dazu einige Beispiele, die zeigen sollen, wie Jung und Alt beeinflusst werden:
Norbert Schausberger: Geschichte I. Teil, Studienhelfer: 64 Brand Roms: Nero beschuldigt Juden und Christen. Erste Christenverfolgung. Neubau der Stadt …
Alois Beck und Josef Stadlhuber: Kirchengeschichte I (Lehr- und Arbeitsbuch): Nero (54 – 68) erreichte mit seiner Brandstifterlegende, dass die Christen allgemein als Verbrecher angesehen wurden; zu den Opfern seiner um 64 n. Chr. einsetzenden Christenverfolgung gehören die Apostel Petrus und Paulus, die beide in Rom den Märtyrertod erlitten. Besonders arg wurde die Verfolgung unter Kaiser Nero. Er wollte an Stelle alter Hütten einen neuen Stadtteil errichten; statt die Leute umzusiedeln, ließ er in einer sehr stürmischen Nacht von Soldaten in Zivil gleichzeitig an mehreren Stellen dieser Siedlung Feuer legen; dann verdächtigte er die Christern, sie seien die Brandstifter gewesen
Heinrich Pleticha und Otto Schönberger (Hrg.): Die Römer: Nero … Seit 60 n. Chr. verlor der Princeps immer mehr den Halt und geriet unter den Einfluss krimineller Speichellecker … Im Jahre 63 ermordete er seinen Mentor Burrus, 64 ließ er angeblich Rom anzünden, um an dessen Stelle eine Metropole mehr hellenistischen Zuschnitts zu setzen … Die Schuld an dieser verheerenden Brandkatastrophe gab er den Christen und entfesselte so die erste Christenverfolgung

Zu den zitierten Aussagen ist festzustellen, dass moderne Historiker davon überzeugt sind, dass Kaiser => Nero keine Schuld an der Brandkatastrophe trifft und man im Zusammenhang mit dem Prozess gegen vermeintliche Brandstifter nicht von einer Christenverfolgung sprechen kann.
Selbst die Nero feindlich gesinnten Geschichtsschreiber Cornelius Tacitus und Gaius Suetonis beurteilten den Prozess als gerecht und Suetonis rechnet die Hinrichtung unter die guten und vernünftigen Maßnahmen des Kaisers (vgl. Karlheinz Deschner: Abermals krähte der Hahn). Sextus Afrianus Burrus (* vor 15, † 62) starb an einem Tumor im Rachen- oder Kehlkopfbereich. Das Gerücht von der Ermordung des Prätorianerpräfekten durch Nero wurde von Gaius Suetonis Tanquillus und Lucius Cassius Dio Coceianus aufgenommen und verbreitet (vgl. Michael Avi Yonah und Israel Shatzman: Enzyklopädie des Altertums).

Die Nichtkennzeichnung fremder Texte ist dadurch zustande gekommen, dass ich für mein Antwortschreiben die entsprechenden Stellen nicht direkt aus Büchern bzw. dem Internet, sondern aus meinem länger zurückliegenden Briefverkehr mit Freunden und Bekannten übernommen habe.
Ihrer Meinung, dass mein Schreiben nur aus nicht gekennzeichneten Zitaten zusammengesetzt ist, muss ich widersprechen. Ich bin der Auffassung, dass im meinem Schreiben vom Vorjahr persönliche Meinungen und historische Fakten aufscheinen, wobei die Hinweise auf M. T. Cicero. G. Suetonis und den Professor für Kirchengeschichte Erhard nicht Fehl am Platz sein dürften.
Natürlich habe ich mich dazu – da ich kein Zeitzeuge bin – mit den Werken verschiedener Autoren beschäftigt. Für den religiösen Bereich waren dies in der Hauptsache: Neues Testament, Karlheinz Deschner: Abermals krähte der Hahn und Kardinal Franz König (Hrg.): Der Glaube der Menschen.
Was den Brand von Rom betrifft, habe ich auf meine eigene Publikation in Notruf 122 1/1990 und das Buch von Dr. Gustav Lindner: Das Feuer. Eine kulturhistorische Studie. Brünn 1881 zurückgegriffen.

Für den Begriff Spekulation gibt es unterschiedliche Erklärungen. Im gegenständlichen Fall kann man m. E. darunter eine Hypothese verstehen, eine Aussage, deren Gültigkeit man für möglich hält.
In vielen Bereichen des Lebens muss man sich mit Spekulationen/Hypothesen begnügen. Speziell Menschen, die sich zu einem Glauben bekennen, spekulieren damit, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen Gnadenerweise der Gottheit(en) erhalten werden und halten bestimmte Sachverhalte hypothetisch für wahr.
Ein besonders beliebtes Spekulationsobjekt ist der Apostel Paulus. Seine Biografie kann fast ausschließlich aus seinen Briefen und aus der Apostelgeschichte erschlossen werden. Allerdings ist diese Geschichte nicht nur sehr unzuverlässig, sondern widerspricht manchmal auch den Briefen. Bei den Briefen muss man wieder zwischen den und unechten unterscheiden.
Als gesichert erscheinen nur zwei Daten: Paulus’ Besuch in Jerusalem während der Hungersnot um 46 (Apostelgeschichte 19, 28 – 30) und sein Aufenthalt in Korinth (Ökumenisches Heiligenlexikon).

Ich sehe in Paulus den Urheber des Christentums, der in einer hellenistischen Umwelt aufwuchs und der jüdischen Religion entsprechend erzogen wurde, was für sein späteres Denken und Handeln offensichtlich von entscheidender Bedeutung war.
Hinsichtlich seines Geburtsjahres gibt es nur Spekulationen, die von 10 v. bis 10 n Chr. reichen; über seine Jugendjahre ist nichts bekannt und seine Studien an der Schule von Gamaliel I. wird von mehreren Historikern bestritten, wie seine Anwesenheit bzw. Aufgabe bei der Steinigung des Stephanus durch fanatische Juden umstritten ist.
Scha’al (Saul), der sich nach seiner Bekehrung Paulus nannte oder möglicherweise seit jeher einen Doppelnamen führte, erscheint im Neuen Testament als Eiferer für das Gesetz und arger Christenfeind.
Die Apostelgeschichte beschwört das Bild eines Fanatikers (8, 3; 22, 4; 26, 9 ff), das – so scheint es – geschaffen wurde, um das Wunder der Bekehrung umso großartiger erscheinen zu lassen.
Der Kampf des Paulus gegen die Apostel, die er manchmal spöttisch „Überapostel“ oder Erzapostel nannte, und der aus der Urgemeinde hervorgegangenen judenchristlichen Richtungen gegen Paulus darf ich als bekannt voraussetzen.
Aus meiner Sicht hat die katholische Kirchen-Geschichtsschreibung den urchristlichen Streit bagatellisiert und eine versöhnende Synthese und damit das ideale Paar der Apostelfürsten Petrus und Paulus geschaffen, deren Fest am 29. Juni gefeiert wird.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Papst Innozenz X. im Jahr 1647 die Gleichstellung von Petrus und Paulus als häretisch bezeichnet hat.

Die Christenheit des 1. Jahrhunderts war - mit geringen Ausnahmen - ein Bewegung von Unterprivilegierten – von Kleinbürgern, Bettlern und Sklaven – und, wie aus den Briefen des Völkerapostels hervorgeht, waren auch allerhand zwielichtige Gestalten darunter.
In Rom wurde – so die einschlägige Literatur – frühestens um das Jahr 34/35, also nach der Steinigung des Stephanus, eine christliche Gemeinde gegründet. Die Jahreszahl kann dann als gegeben angesehen werden, wenn man den Tag der Kreuzigung Jesu mit 7. April 30 annimmt.
Man kann davon ausgehen, dass es sich dabei anfangs um eine Sekte ohne Theologie, ohne Ritus und ohne Identität, angelehnt an die sehr viel stärkere jüdische Gemeinde, Diese ersten Christen erwarteten das Ende der Welt, sie sehnten sich geradezu danach, denn für sie war es gleichbedeutend mit der Bestrafung der Bösen und der Belohnung der Guten.
Ein Indiz dafür, dass diese Menschen zu allem fähig waren, ist dem 1. Römerbrief des Apostels Paulus zu entnehmen, der sich über den Extremismus einiger seiner Glaubensbrüder besorgt äußerste und sie deshalb aufforderte, die Behörden nicht zu provozieren. Dieser Brief soll zu einem nicht bekannten Zeitpunkt in Korinth – manche glauben: in Ephesus – verfasst worden sein und gibt wegen der darin enthaltenen Aussagen über geplante Reisen Anlass zu vielen Spekulationen.
Zur Beurteilung der Geschehnisse während des Stadtbrandes des Jahres 64 n. Chr. in Rom und der darauf folgenden Verhaftungen, Geständnisse, Verurteilungen und Hinrichtungen wird üblicherweise das XV. Buch der Annalen des Tacitus, das nur in einer Fassung aus dem 11. Jahrhundert vorliegt, herangezogen. Leider ist der entsprechende Abschnitt einer der undeutlichsten und widersprüchlichsten der gesamten Annalen.

Obwohl anzunehmen ist, dass der Großbrand durch Fahrlässigkeit entstanden war, konnte => Nero nicht dem Gerücht entgehen, für die Brandstiftung verantwortlich zu sein. Um diesem Gerücht entgegen zu wirken, schob der Imperator die Schuld – so lautet Tacitus’ Bericht - der verhältnismäßig kleine Gruppe der in der Stadt lebenden Christen zu.
Wenig später berichtet er dann aber, dass die ersten Verhörten nicht nur Geständnisse ablegten, sondern dass sie sogar gestanden, bevor sie verhaftet worden waren … correpti qui fatebantur.
Jetzt kann man die Frage stellen, wie diese Geständnisse aussahen. Gestanden die in Betracht kommenden Personen Christen zu sein oder den Brand gelegt zu haben? Ich bin der Meinung, dass sie nur die Brandstiftung gestehen konnten, denn es wurden nur Brandstifter gesucht und auch die entsprechende Anklage lautete darauf.
Einem Teil der Christen Roms wurde der Prozess gemacht. Diejenigen, die zu Recht oder zu Unrecht verurteilt wurden, galten als der Brandstiftung überführt und erhielten die dafür vorgesehenen Strafen (vgl. Lex Cornelia de sicariis und lex Julia de vi publica).
Die Prozesse sind sicher sehr sorgfältig durchgeführt worden, denn sie nahmen zwei Monate in Anspruch. Im Vergleich dazu war der Prozess gegen die Piso-Verschwörer (Gruppe um Gaius Cornelius Piso) kurz: er dauerte vom 19. bis zum 30. April 65, als nur elf Tage.
Weiters stellt sich die Frage, warum sich Teile der römischen Bevölkerung der Brandstiftung bezichtigt haben sollen. Derart handeln – mit Ausnahme jener Personen, auf die ich im Lauf meines Berufslebens gestoßen bin – nur Fanatiker, denen der eigene Tod gleichgültig ist, weil sie als Märtyrer das Reich Gottes erstreben.
Höchstwahrscheinlich gestanden solche Leute eine Schuld, die sie nicht hatten, weil sie den Brand als das erhoffte Ende der Welt ansahen. Ich bin überzeugt, dass es unter den ersten Christen Roms Fanatiker gab, die nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen hatten.
Sollten aber extremistische Christen den Brand gelegt haben, dann ergibt der Angriff auf den Besitz Neros (Palast auf dem Palatin) und des Tigellinus (Aemilianische Gärten) einen Sinn.
Im Gegensatz zu den Verschwörern um Piso hätten Menschen, die für ihren Glauben zu allem bereit waren, auch keine Angst vor etwaigen Repressalien gehabt.
Was die Brandentstehung und –ausbreitung anbelangt, dürfte die Wahrheit in der Mitte liegen. Der Brand entstand zufällig und christliche Ultras trugen das ihre dazu bei, um ihn in Gang zu halten und die Löscharbeiten zu behindern.
Neben bzw. unabhängig von der Annahme, dass es auch zu Plünderungen kam, ergäbe sich so eine Erklärung für jene Figuren, die nach Tacitus während des Brandes herumstreiften, den Brand mit Fackeln entfachten und die Rettungsmannschaften bedrohten.

Dass die Christen den Brand nicht gelegt hatten, stellte Plinius d. J. rund 60 Jahre nach der Katastrophe fest; viele Historiker sind ebenfalls dieser Meinung und ich schließe mich als fleißiger Abschreiber dieser Meinung an.
Dass sie sich aber über den Brand freuten, ist sicher glaubhaft. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass Meinungen mündlich weitergegeben wurden, wie sei ein Johannes in seiner Apokalypse festhielt. Er schilderte das Römische Reich als das Werkzeug des Satans, das dem Gott sraels entgegenstand und zur Vernichtung bestimmt war.

Sie könnten nun mit Berechtigung feststellen, bislang nur Spekulationen und keine Beweise gefunden zu haben.
Wenn alle in der Vergangenheit erfolgten Ereignisse geklärt und unstrittig dargelegt wären, hätte ich mit Sicherheit nie zu dem im Ökumenischen Heiligenlexikon publizierten Betrag über den Apostel Paulus Stellung bezogen.
Die Suche nach Gottesbeweisen wäre nicht erforderlich, Geburts- und Todestag des Jesus von Nazaret wären nicht strittig und Spekulationen darüber, ob er am Kreuz starb oder nicht (z. B. Holger Kersten und Elmar R. Gruber: Jesus starb nicht am Kreuz. Die Botschaft des Turiner Grabtuchs) wären völlig sinnlos. Diskussionen über die Echtheit der Kreuzpartikel wären überflüssig (niemand weiß wie viele es gibt, von den bekannten ist anzunehmen, dass sie ein Gewicht von etwa 3000 kg haben – Aussage des Vatikanexperten Prof. Dr. Gumpold während eines Gespräches in der Curia Romana am 21. Mai 2005); man könnte nicht zwei Begräbnisorte Marias (Israel und Türkei) besuchen, dafür aber könnte man den Beweis vorlegen, dass Petrus in Rom war. Auch die echte Bischofsliste könnte man einsehen und wissen, ob Petrus oder Linus der erste Bischof von Rom war …

Aber man muss nicht immer Spekulationen anstellen, wenn man die Gegebenheiten im ersten nachchristlichen Jahrhundert und in den nachfolgenden Epochen beurteilen und beschreiben will.
Bezogen auf den Fanatismus, den die Anhänger der abrahamitischen Religionen an den Tag legten und noch legen, darf ich zunächst auf die Zeloten verweisen. Es war diese eine nationaljüdische, als Reaktion auf die Macht- und Besitzergreifung der Römer 6 n. Chr. gegründete Partei, die trotz grundlegender Unterschiede gemeinsame Züge mit dem Christentum aufwies.
In diesem Zusammenhang ist an den Apostel Simon zu erinnern, der im Lukasevangelium der Zelote genannt wird. Im Kreis dieser Extremisten wurde öffentlich der Krieg gegen Rom gepredigt und mit Vorliebe die Bücher der Makkabäer gelesen.
Das Christentum bekämpfte Juden und Ketzer von Anfang an mit allem heiligem Zorn, hielt sicher aber, da die Christen zunächst eine verschwindende Minderheit waren, gegenüber den Heiden etwas zurück, polemisierten nur fallweise und traten für Religionsfreiheit ein.
Als sie sich um die Wende zum 3. Jahrhundert stark genug fühlten, gingen sie entschiedener vor; sie diffamierten – allerdings nicht alle gleichermaßen – die traditionelle Kultur, die Philosophie, von der sie selbst profitierten, attackierten das Schauspiel und am meisten die heidnische Religion.
Mit der konstantinischen Wende war die Märtyrer- und Verfolgungsideologie weggeblasen und mit den ersten christlichen Kaisern wich die 313 proklamierte Koexistenz einem Unterdrückungstrend..
Den weiterten Verlauf der Geschichte mit ihren Kriegen und Verfolgungen, bei denen der Fanatismus eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat, darf ich als bekannt voraussetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Prof. Helmut Bouzek

Verwendete Literatur, die nicht im Text aufscheint:
Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums, Band 1: Die Frühzeit, 1988
ders.: Opus Diaboli, 2001
Massimo Fini: Nero. Zweitausend Jahre Verleumdung, 1994
Michael Grant: Paulus. Apostel der Völker, 1978
Richard Horsley (Hrsg.): Sozialgeschichte des Christentums, Band I, 2007
Golo Mann und Alfred Heuß (Hrsg.): Propyläen Weltgeschichte, Band 4, 1991
Gerald Messadié: Ein Mann namens Saulus, 1992
Herbert Alexander Stützer: Das antike Rom, 1987
Georg Ürögdi: Das Leben im alten Rom, 1963
Otto Zierer: Neue Weltgeschichte. Alte Zeit, 1966

Prof. Helmut Bouzek über E-Mail, 30. Juli 2013


Wie will der Autor die Tacitusstelle verstanden wissen?
Welche Geständnisse sollen die Christen denn abgelegt haben? Wessen haben sie sich bezichtigt? Ich kann in der entsprechenden Tacitusstelle kein Schuldgeständnis der Christen ausmachen, noch eine Form von Selbstbezichtigung. Wo will der Autor bei Tacitus gelesen haben, daß die Christen schon vor der Festnahme etwas gestanden hätten? Tacitus erwähnt nur, daß Personen verhaftet wurden, die sich als C h r i s t e n bekannten und daß auf Grund deren Aussage ein weiterer großer Personenkreis verhaftet wurde. Mehr aber auch nicht! Auch, als Beispiel, Martin Ritter kann in seiner Quellenkunde nicht erkennen, daß hier ein Geständnis der Brandstiftung vorliegen würde. Bouzeks Vermutungen Es mag sein …, Es ist aber durchaus möglich … zeigen eher die Fragwürdigkeit seiner Vermutungen. Geradezu albern ist seine Unterstellung eines Märtyrerdeliriums auf die Christen jener Tage.
Bitte nicht noch mehr davon.

Wilfried Schevalje über E-Mail, 22. August 2009

Antwort auf den Leserkommentar des Herrn Wilfried Schevalje

Der Leserkommentar des Herrn Schavalje ist dann zu verstehen, wenn man in den nach dem verheerenden Brand des Jahres 64 in der Stadt Rom gesetzten Maßnahmen eine Christenverfolgung sehen will.
Es hat aber unter Kaiser => Nero, der durch zwei Jahrtausende zu einem Christen schindenden Scheusal gemacht worden ist, keine Christenverfolgung, sondern u. a. einen Brandstifterprozess gegeben.
Selbst die Nero feindlich gesinnten Historiker Publius Cornelius Tacitus und Gaius Suetonius Tranquillus (Sueton) beurteilten den Prozess gegen die Brandstifter als gerecht und vernünftig.
Das Christentum selbst stand dabei überhaupt nicht zur Diskussion, schrieb der evangelische Theologe Carl Schneider (1900 – 1977). Und auch in der Geschichte des Christentums des katholischen Theologen Michel Clévonet (1932 – 1993) ist zu lesen, dass weder Nero noch seine Polizei noch die Römer gewusst haben dürften, dass es sich um Christen handelte. Sie bewegten sich noch so sehr im Dunkeln und sind so gering an Zahl, als dass ihre Hinrichtung eine Angelegenheit des öffentlichen Interesses gebildet hätten ….
Im 15. Buch der Annalen des Tacitus, das nur in einer Fassung aus dem 11. Jahrhundert vorliegt und daher in manchen Bereichen unsicher überliefert und schwer deutbar ist, heißt es u. a.: Zunächst also ergriff man diejenigen auf, die bekannten …. Tacitus lies es offen, ob sich ein kleiner Teil der Bevölkerung Roms als Christen oder Brandstifter bekannte.
Da nach Brandstiftern gesucht worden und die religiöse Überzeugung zunächst kaum gefragt war, muss angenommen werden, dass sich einige extreme Glaubensbrüder zur Brandlegung bekannten und damit bewusst das Märtyrertum suchten, aber auch wirklich das verdorbene Rom abfackeln wollten. Menschen, die für ihren Glauben zu allem bereit waren, hatten auch keine Angst vor Repressalien, sie waren geradezu erpicht darauf. Paulus selbst äußerte sich in seinem Römerbrief besorgt über den Extremismus einiger Glaubensbrüder und ermahnte sie, die Behörden nicht zu provozieren (12, 9 – 21).
Weiter ist bei Tacitus zu lesen: hernach auf deren Anzeige hin eine riesige Menge, und überführte sie ….
Der französische Schriftsteller, Historiker, Archäologe, Orientalist und Religionswissenschaftler Ernest Renan (1823 – 1892) hielt dazu fest: Die Zerstörung Roms durch eine Feuersbrunst war tatsächlich ein jüdisch-christlicher Wunschtraum.
Auch wenn dem Kommentator ein Märtyrerdelirium albern vorkommt, kann es nicht ausgeschlossen werden, dass einfältige und ungebildete Christen, die ja die Mehrheit der neuen religiösen Gruppierung stellten, die mündlichen Überlieferungen vom Feuer und seiner vernichtenden bzw. reinigenden Kraft, die später bei Lukas und in der Offenbarung nachzulesen waren, wörtlich nahmen und angesichts des erwarteten Endes der Welt möglichst rasch die ewige Seligkeit erreichen wollten.
Wozu religiöse Fanatiker imstand sind, haben im Lauf der Geschichte Anhänger der drei abrahamitischen Religionen immer wieder gezeigt.

Dem Prozess gegen die Brandstifter folgten mehrere Prozesse gegen jene Personen, die entgegen der Anordnungen des Staates Getreide zu Wucherpreisen verkauften oder es horteten und damit der allgemeinen Verteilung entzogen. Da für eine absonderte Religionsgemeinschaft die Hilfe der eigenen Mitglieder natürlich im Vordergrund steht, dürften auf diesem Wege auch Prozesse gegen Christen geführt worden sein.

Prof. Helmut Bouzek über E-Mail, 15. April 2011


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Autor: Prof. Helmut Bouzek - zuletzt aktualisiert am 11.09.2016
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