Ökumenisches Heiligenlexikon

Christliche Kirchen in Indien (Thomaschristen)


In Indien lebten im Jahr 2010 fast 1,2 Milliarden Menschen. Nach der Konfessionsstatistik aus der Volkszählung des Jahres 2001 waren davon 80,5% Hindus, 13,4% Muslime und (nur) 2,3% Christen - außerdem: 1,9% Sikhs, 1,8% andere und 0,1% ohne Angaben. Es gibt in Indien demnach rund 27 Millionen Christen, vor allem im südwestlichen Kerala, wo Christen mit 20% der Bevölkerung vertreten sind als Ergebnis der Missionen aus dem Westen.

Die Kirchen in Indien führen ihren Ursprung auf den Apostel Thomas zurück; die apokryphen syrischen Thomas-Akten erzählen, dass Christus Thomas erschien und ihn aufforderte, dem Boten des Königs Gundisar nach Indien zu folgen, was er tat und den König bekehrte. Von feindlich Gesinnten sei er dann aber in Mailapur - der heutige Stadtteil Mayilapuram in Madras / Chennai - gemartert worden, dort wird sein Grab gezeigt; auf dem Großen Thomasberg wurde 1547 eine Kirche zu Ehren von Thomas errichtet, 2004 hat der Vatikan diesen Berg als ersten internationalen katholischen Wallfahrtsort Indiens anerkannt. Im Jahr 424 erklärte sich die Kirche als unabhängiges Katholikat, v. a. aus Rücksicht auf die nichtchristlichen persischen Landesherren. Nach dem Konzil von Ephesus fanden dessen Gegner in Persien Aufnahme; sie gewannen die Hierarchie der Thomaschristen für die Ablehnung des Konzils.

• Die direkt auf die - angeblich durch Thomas gegründete - alte Kirche in Malankara zurückgehende Kirche und somit die der eigentlichen Thomas-Christen ist heute die Malankara Syrisch-Orthodoxe Kirche. Die Malankara Syrisch-Orthodoxe Kirche bildet das autonome Katholikat von Indien innerhalb der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien. Oberhaupt der Kirche ist nach dem Patriarchen der Katholikos von Indien, sie hat geschätzt 3,5 Millionen

• Von dieser hat sich 1912 davon die Malankara Orthodox-Syrische Kirche abgespalten. Sie untersteht nicht dem Patriarchen von Antiochia, sondern ist autokephal - selbständig. Die Malankara Orthodox-Syrische Kirche hat ungefähr 2,5 Millionen Mitglieder.

Beides sind altorientalische Kirchen auf der Basis des Monophysitismus; ihnen gemeinsam ist die Nichtanerkennung der Beschlüsse des Konzils von Chalkedon mit der Verurteilung des Monophysitismus und der Festlegung, dass Jesus Christus sowohl eine göttliche als auch eine menschliche Natur besitze, die untrennbar voneinander seien; vereinfacht und leicht verfälschend werden sie deshalb auch als monophysitische Kirchen bezeichnet. Beide Kirchen praktizieren die Liturgie der Syrisch-Orthodoxen Kirche, den Antiochenischen Ritus.

• Die Unabhängige Syrische Kirche von Malabar ist eine autokephale - selbständige - altorientalische Kirche mit westsyrischen Ritus, enstanden im Widerstand gegen die Vereinnahmung der Thomaschristen durch die römisch-katholischen Kirche nach der Landung der Portugiesen im Westen Indiens. Die Widerstand Leistenden versammelten sich 1653 zum Schwur vom Schiefen Kreuz und gründeten eine eigene Kirche, deren geistliches Oberhaupt 1665 vom syrisch-antiochenische Metropoliten von Jerusalem geweiht wurde. Diese Kirche hat den den Antiochenischen Ritus. In der Zeit der britischen Besetzung Indiens entwickelten sich dann gute Verbindungen zur Anglikanischen Kirche. Die Unabhängige Syrische Kirche hat heute etwa 10.000 Gläubige, sie steht in Kommunionsgemeinschaft mit der Anglikanischen Kirche, der Metropolit wird von einer SynodeSynode (altgriech. für Zusammenkunft) bezeichnet eine Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten. In der alten Kirche wurden "Konzil" und "Synode" synonym gebraucht. In der römisch-katholischen Kirche sind Synoden Bischofsversammlungen zu bestimmten Themen, aber mit geringerem Rang als Konzile. In evangelischen Kirchen werden nur die altkirchlichen Versammlungen als Konzile, die neuzeitlichen Versammlungen als Synode bezeichnet. gewählt.

Neben diesen drei altorientalisch Kirchen gibt es zwei mit Rom unierte katholische Kirchen sowie die römisch-katholische Kirche:

• Als Abspaltung von der traditionsreichen Malankara Syrisch-Orthodoxen Kirche entstand in Folge der oben genannten Spaltung der altorientalischen Kirchen im Jahr 1926 die Syro-Malankara Katholische Kirche, die wie ihre Mutterkirche den Antiochenischen Ritus pflegt. Sie hat heute gut 400.000 Mitglieder, auch in Deutschland und den USA.

• Die Syro-Malabarische Kirche ist ebenfalls mit Rom uniert. Sie nennt sich die eigentliche Nachfolgerin der ursprünglichen Thomaschristen, pflegt auch den ostsyrischen Ritus; tatsächlich wurden die einheimischen Thomaschristen unter der Herrschaft der Portugiesen systematisch entrechet und zwangsweise latinisiert, ihre ostkirchliche Traditionen missachtet; 1599 erfolgte die endgültige Unterordnung der Thomaschristen unter die Lateinische Kirche und die Bereinigung des Ritus; dies führte schließlich zum Bruch mit Rom: beim Schwur vom Schiefen Kreuz gelobten diese Thomaschristen in Mattancherry bei Kochi im Jahr 1653, nie wieder einen portugiesischen Bischof über sich zu dulden und weihten Mar Thomas I. zum Erzbischof; diese Tradition lebt heute sowohl in der alten Malankara Syrisch-Orthodoxen Kirche als auch in dieser Malankara Orthodox-Syrischen Kirche fort. Nachdem Papst Alexander VII. italienische Karmeliten zur Versöhnung entsandt hatte, kehrte ein Teil der Thomaschristen 1662 doch wieder zur römischen Kirche zurück und wurde zur heutigen syro-malabarischen katholischen Kirche.

• Aus der Missionsarbeit, v. a. unter portugiesischer Kolonialherrschaft, ging auch die römisch-katholischen Kirche mit normalem westlichem - lateinischem - Ritus hervor. Sie entstand im 16./17. Jahrhundert, hat heute rund 3,5 Millionen Mitglieder und ist Teil der römisch-katholischen Kirche.

Wieder zur ursprünglichen Mutterkirche, der Assyrische Kirche des Ostens, gehört:

• die Chaldäisch-Syrische Kirche des Ostens. Sie trennte sich 1914 von der Syro-Malabarischen Kirche und ist eine autokephale, also eigenständige Ostkirche syrischer Tradition und steht in Nachfolge des altchristlichen Katholikats von Seleukia-Ktesiphon - heute Ruinen bei Bagdad im Irak; sie ist eine nestorianische Kirche und pflegt den ostsyrischen - den Chaldäischen - Ritus, hat heute weltweit rund 0,5 Millionen Gläubige und ihren Hauptsitz in Chicago in den USA.

Durch den Einfluss und die Missionsarbeit von Kirchen der Reformation und in Folge der holländischen und britischen Besatzung Indiens entstanden zwei weitere Kirchen, die ihre Wurzel in der Malankara Orthodox-Syrischen Kirche haben:

• Die Syrische Mar-Thoma-Kirche - mit offiziellem Namen: Malankara Mar Thoma Syriac Church - entstand zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft in Indien, als sich reformatorische Ideen unter den Thomaschristen verbreiteten. Sie ist eine vormals altorientalische Kirche mit reformiertem westsyrischen Ritus in Glaubens- und Kommuniongemeinschaft mit den Anglikanische Kirchen. Kirchenoberhaupt ist ein Metropolit, sie hat knapp 1 Million Mitglieder.

• 1952 spaltete sich davon die St. Thomas Evangelical Church of India ab, die noch stärker protestantisch orientiert ist und die anglikanische Liturgie pflegt.

In Folge der Missionen entstanden auch:
• verschiedene lutherische Kirchen, die heute die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in Indien mit 1,5 Millionen Mitgliedern bilden sowie
• die Kirche von Südindien in anglikanischer Tradition mit 3,5 Millionen Gläubigen und
• die Kirche von Nordindien, zu der sich Anglikaner, Baptisten, Methodisten u. a. zusammengeschlossen haben und die ebenfalls 1,5 Millionen Gläubige zählt.

Weitere rund 600.000 Christen gehören den Methodisten, etwa 800.000 den Baptisten an.

Übersicht:

Jahrhunderte:
 1.  2.  3.  4.  5.  6.  7.  8.  9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20.     Mitglieder
in Millionen
                                       X Methodisten, Baptisten 1,5
                                   X  X  X Kirche von Nordindien 1,5
                                   X  X  X Kirche von Südindien 3,5
                                   X  X  X Vereinigte Evang.-lutherische Kirchen 1,5
                                       
                                 X  X  X  X Unabh. Syrische Kirche von  Malabar 0,01
                                 X          
                                 X      X Evangelische St. Thomas-Kirche 0,05
                                 X      X    
                                 X    X  X Syrische Mar-Thoma-Kirche 1,1
                                 X    X    
 X  X  X  X  X  X  X  X  X  X  X  X  X  X  X  X  X  X  X  X Malankara Orthodox-Syrische Kirche 2,0
                                 X      X    
                                 X      X Malankara Syrisch-Orthodoxe Kirche 3,5
                                 X      X    
                                 X      X Syro-Malankara Katholische Kirche 0,4
                                 X          
                                 X  X  X  X Syro-Malabrische Kirche 4,0
                                       X    
                                       X Chaldäisch-Syrische Kirche 0,5
                                           
                               X  X  X  X  X Römisch-Katholische Kirche 3,5

 
nestorianische Kirche
(=> Nestorianismus)
altorientalische Kirchen
(=> Miaphysitismus)
Katholische Kirchen Evangelische
(reformatorische) Kirchen




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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 05.01.2021

Quellen:
• für die Mitgliederzahlen: http://atlasofchurch.altervista.org
• und: http://www.oikoumene.org/de/mitgliedskirchen/regionen/asien/indien.html
• für die Religionsverteilung: https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://d-nb.info/1175439177 und https://d-nb.info/969828497 abrufbar.