Heiligsprechung in der katholischen Kirche
Anfangs bestimmte das Volk, wer für sie ein Heiliger war. Einige galten schon zu Lebzeiten als heilig, die meisten
erhielten diesen Ehrentitel erst nach dem Tod. Vom 6. Jahrhundert an bedurfte es, wenn
Reliquien zur Ehre der Altäre erhoben
wurden, der bischöflichen Genehmigung,
die dann aus Anlass der feierlichen Erhebung oder Überführung der Gebeine, die der Bischof persönlich oder ein von ihm
beauftragter Abt zelebrierte, bestätigt wurde.
Bald schon war es nicht nur Frömmigkeit sondern auch wirtschaftliches Kalkül, die zu einem neuen Kult führte: ein Heiliger brachte schließlich viele Menschen und damit Geld an den Ort seiner Verehrung. Die Zahl der Heiligen wuchs, die Heiligenverehrung wurde somit oft entwertet. Daher verbot die SynodeSynode (altgriech. für „Zusammenkunft”) bezeichnet eine Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten. In der alten Kirche wurden „Konzil” und „Synode” synonym gebraucht. In der römisch-katholischen Kirche sind Synoden Bischofsversammlungen zu bestimmten Themen, aber mit geringerem Rang als Konzile. In evangelischen Kirchen werden nur die altkirchlichen Versammlungen als Konzile, die neuzeitlichen Versammlungen als Synode bezeichnet. in Frankfurt am Main 794 die Anrufung neuer Heiliger. Kaiser Karl der Große erneuerte und verschärfte 805 dieses Verbot. Dennoch hielt die Praxis an, ein Beispiel für eine solche Heiligsprechung ist uns über Ida von Herzfeld überliefert.
Vom 10. Jahrhundert an zogen die Päpste das Recht der Heiligsprechung an sich. Der erste offiziell von
Rom Heiliggesprochene war Bischof
Ulrich von Augsburg, heiliggesprochen durch Papst Johannes XV. in
einer förmlichen und feierlichen Kanonisation am 31. Januar 993, zwanzig Jahre nach seinem Tod, vgl.
Die Heiligsprechung von Ulrich von Augsburg. Als erste
Frau im offiziellen römischen Verfahren wurde 1047 Wiborada von St.
Gallen durch Papst Clemens II. heiliggesprochen. Diese Heiligsprechungen durch einen Papst waren zunächst noch die
Ausnahme, Papst Alexander III. machte sie von 1170 an zur Regel. Papst
Gregor IX. wiederholte die Forderung auf das exklusive Recht des Papstes 1234 in einem Dekret. Da aber viele Bischöfe
dennoch weiterhin kanonisierten, entstand die Unterscheidung zwischen beatus
, selig
, und sanctus
,
heilig
: die bischöfliche Kanonisation bewertete man als Seligsprechung
, die nur regional gültig ist, die
päpstliche als Heiligsprechung
, die in der gesamten Kirche gilt. Fortan wurden alle vom Papst kanonisierten Heiligen
in ein amtliches Verzeichnis, das Martyrologium Romanum
, kurz
Kanon
genannt, eingetragen. 1
Papst Sixtus V. errichtete 1588 die Heilige Kongregation für Riten, die - neben den Fragen der Liturgie der
Gottesdienste - die Verhandlungen über die Angelegenheiten der Heiligen zur Aufgabe hatte. Papst Urban VIII. verlangte in
einem Breve von 1634 das alleinige Recht des Papstes, einer verstorbenen Person den Titel Heilige(r)
oder
Selige(r)
zu verleihen, außerdem setzte er die Regeln für beide Verfahren fest. Papst Clemens XII. ließ diese im
Grundsatz noch heute gültigen Regeln in dem 1735 erschienenen vierbändigen Werk De servorum Dei beatificatione et
beatorum canonisatione
von Prospero Lambertini, dem späteren Papst Benedikt XIV., zusammenstellen und ausführlich
kommentieren. Voraussetzung für eine Heiligsprechung ist danach, dass ihr eine Seligsprechung vorausgeht. In einem
Kanonisationsprozess, der einem Gerichtsverfahren nachgebildet ist, findet eine umfassende und langwierige Untersuchung
statt. Voraussetzung für eine Seligsprechung ist, dass mindestens ein Wunder 2
auf die Fürbitte des Seligzusprechenden bewirkt worden ist; Voraussetzung für eine Heiligsprechung ist mindestens ein
weiteres Wunder, das sich nach der Seligsprechung zugetragen haben muss.. Nach diesem geordneten Verfahren wurden bis
1978 genau 231 und von da an bis 2017 einschließlich der 800 Märtyrer
von Otranto 2165 Frauen und Männer offiziell heilig gesprochen.
Papst Paul VI. teilte 1969 die Kongregation für Riten und schuf zwei
Kongregationen: eine für die Fragen der Gottesdienste und die andere für die Angelegenheiten der Heiligen. Die
Kongregation für die Heiligsprechung
hat drei verschiedene Abteilungen: das Gerichtswesen, die Sektion für die
Glaubensanwälte und die historisch-hagiografische, welche die Fortführung der von Papst Pius XI. 1930 gegründeten
Historischen Sektion ist. Nach dem 2. Vatikanischen Konzil wurde
durch die Kalenderreform Nach Abschluss und im Auftrag des => 2. Vatikanischen Konzils wurde im Jahr 1969 eine Liturgiereform in der römisch-katholischen Kirche durchgeführt; in diesem Rahmen wurden auch Änderungen im Römischen Generalkalender vorgenommen; der erneuerte wurde mit dem 1. Januar 1970 in Kraft gesetzt.
eine Reihe historisch nicht nachweisbarer legendärer Heiligen gestrichen. Im neuesten Martyrologium Romanum
von
2004, das komplett ins Ökumenische Heiligenlexikon eingearbeitet ist, sind alle heute gültigen
Heiligen und Seligen verzeichnet; einige der legendären Heiligen wurden wieder aufgenommen.
Papst Johannes Paul II. reformierte 1983 mit der Apostolischen
Konstitution Divinus Perfectionis Magister
und der Empfehlung Normae servandae in inquisitionibus ab episcopis
faciendis in causis sanctorum
das Verfahren in Heiligsprechungs-Angelegenheiten grundlegend und ordnete auch die
Kongregation neu: Es wurde ein Kolleg von Berichterstattern eingerichtet das beauftragt ist, die Vorbereitung der Verfahren
zu begleiten. Die Kongregation wird von einem Kardinalpräfekten geleitet und hat neben ihrem Sekretär weitere 23 Mitglieder
- Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe, dazu 6 Beigeordnete und 71 Berater. Der Zentralbehörde beigeordnet ist seit 1984 die
Studienabteilung, deren Aufgabe ist die Ausbildung der Mitarbeiter der Kongregation sowie die Ausbildung und Beratung derer,
die mit der Kongregation zusammenarbeiten und Anträge stellen. Neben dem Präfekten, dem Sekretär und Untersekretär, fünf
Relatoren und dem Glaubenspromotor gehören 17 weitere Mitarbeiter zum Arbeitsteam; 34 Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe
gehören der Kongregation als Mitglieder an und geben ihr Votum ab; 83 Theologen und Historiker stehen als Gutachter zur
Verfügung.
Ein Antragsteller, z. B. ein Orden, eine Diözese oder eine private Gruppe, bittet den Papst um Aufnahme des Verfahrens
mit dem Ziel der Seligsprechung. Nach der Genehmigung des Antrags beginnt die Kanonisierungskongregation mit der
Untersuchung der eingereichten Unterlagen und prüft,
• ob die fama sanctitatis et elenchus
, der Ruf der Heiligkeit und eines vorbildlichen Lebens
, einer
Nachprüfung standhält und
• ob dieses menschliche Urteil über die Tugendhaftigkeit eines Menschen in einer Art Gottesurteil bestätigt wird:
falls der Kandidat tatsächlich auch vor Gott heilig ist, so werde dies durch außergewöhnliche Vorkommnisse, durch
Zeichen
, bestätigt; deshalb wird die fama signorum
, der Ruf der Wundertätigkeit
, - zumeist ein
Heilungswunder - überprüft, wobei Wissenschaftler - oft Ärzte - als Gutachter hinzugezogen werden.
Die Studienabteilung soll auch den Index ac Status Causarum
aktualisieren; in der ersten Ausgabe von 1988
wurden hier alle 3464 Verfahren verzeichnet, die seit 1588 eingeleitet wurden; bis 1978 wurde 1385 Mal die Verehrung
approbiert, 565 Menschen wurden selig-, 285 heiliggesprochen.
Die Kongregation bereitet alles vor, was der Papst für eine Selig- oder Heiligsprechung braucht; die behaupteten
Wunder müssen in einem genauen Bericht festgestellt sein, dann in einem Kongress von Theologen, schließlich in einem
dreifachen Konsistorium - einem geheimen aus Kardinälen, einem öffentlichen aus Kardinälen, Prälaten und nichtkirchlichen
Würdenträgern, schließlich einem halbamtlichen aus Kardinälen und den in
Rom anwesenden Bischöfen - erörtert werden. Die
Entscheidung des Konsistoriums wird dem Papst übergeben, der dann die Kanonisierungen ausspricht. Das Heiligsprechungsdekret
enthält den Lebenslauf, das Martyrium bzw. den heroischen Tugendgrad, die Wunder und den Verfahrensablauf. Die Selig- und
Heiligsprechung durch den Papst ist dann ein Akt, den dieser in Ausübung seines unfehlbaren Lehramtes vornimmt. Die
Heiligsprechung ist somit eine Aussage der Kirche über sich selbst, worin ihr eschatologisches Bewusstsein zum Ausdruck
kommt, das sie befugt, bereits jetzt konkrete Personen als Heilige namhaft zu machen
- so W. Schulz im Lexikon für
Theologie und Kirche
.
Statt einer formell so geprüften Heiligsprechung mit nachgewiesenem Wunder hat der Papst auch die Möglichkeit einer
Ausweitung
der Verehrung auf die gesamte Weltkirche; das geht auf Papst Urban VIII. (1623 - 1644) zurück und wird
in Fällen angewandt, in denen schon lange eine regionale Verehrung besteht. Bei einer solchen canonizatio
aequipollens
, einer gleichviel geltenden Heiligsprechung
weitet der Papst die bestehende Verehrung eines noch
nicht heiliggesprochenen Dieners Gottes in verbindlicher Form auf die ganze Kirche aus, so z. B. geschehen für
Hildegard von Bingen.
Für die Selig- oder Heiligsprechung von Kandidaten, die nicht als Märtyrer gestorben sind, ist ein überprüftes Wunder
notwendig als Fingerzeig Gottes, der sozusagen das menschliche Urteil über die Heiligkeit eines Menschen ratifiziert
,
wie der Sekretär der Heiligsprechungs-Kongregation, Erzbischof Marcello Bartolucci, erklärte. Erstmals wurden die Berichte
von Heilungswundern wohl bei der Heiligsprechung von Karl Borromäus
1610 auch von Medizinern geprüft. 1678 wurde es zur Pflicht, wundersame Heilungen vor einer Heiligsprechung medizinisch
untersuchen zu lassen; erst wenn es keine wissenschaftliche Erklärung gibt, darf von einem Wunder ausgegangen werden. 1743
ist erstmals ein medizinischer Sachverständigenrat als festes Gremium nachgewiesen. Seit 1917 müssen zwei Mediziner das
mutmaßliche Wunder untersuchen, erst dann dürfen die Theologen entscheiden, ob es sich tatsächlich um ein Wunder handelt.
1948 richtete Papst Pius XII. eine medizinische Kommission für die Wunder-Anerkennung ein. Das Regelwerk dieses Gremiums hat
der Vatikan 2016 nochmals verschärft: Die Mehrheit in der Kommission muss nun mindestens
fünf Siebtel betragen. Wird ein Wunder mehr als einmal zur Beurteilung vorgelegt, muss ein neues Gremium darüber befinden,
ein mögliches Wunder kann zudem nicht mehr als dreimal zur Untersuchung vorgelegt werden, danach gilt es als nicht anerkannt.
Verboten ist nun auch die Vergütung der Gutachter per Barzahlung, das Geld muss in Zukunft auf ein Konto überwiesen werden.
Unter dem Pontifikat von Johannes Paul II. wurden
nach unserer Zählung insgesamt 1316 Menschen selig- und
483 heiliggesprochen; das sind deutlich mehr Selig- und über doppelt so viele Heiligsprechungen als bis dahin in den fast
400 Jahren seit 1588, der Einführung des Kanonisierungsverfahrens
3. Allein im Jahr 1997 arbeitete die Kongregation an 1500
Verfahren, jedes kostet etwa 50.000 bis zu 250.000 Euro. Diese Kosten werden in der Regel von den Antragstellern - Diözesen
oder Orden - aufgebracht und sind eine wichtige Einnahmequelle für den Vatikan.
Nachdem der Umgang der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse mit diesen Geldern den zweiten
Vatileaks-Skandal
mit ausgelöst hat, hat Papst Franziskus 2016 neue Normen
über die Güterverwaltung der Kongregation erlassen.
Seit dem Amtsantritt von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2005 werden Seligsprechungen nicht mehr vom Papst sondern - wie
bis 1975 üblich - durch den Präfekten der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse vorgenommen und von nun
an in den Diözesen oder an einem anderen geeigneten Ort
gefeiert; auf Antrag des zuständigen Bischofs können sie
nach Rom verlegt werden. Benedikt sprach in
den knapp acht Jahren seiner Amtszeit 45 Menschen heilig und 862 - meist durch den Präfekten der Kongregation - selig,
darunter 520 Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges.
Papst Franziskus sprach bis Ende des Jahres 2019 insgesamt 873 Menschen heilig, darunter in der Rekord-Heiligsprechung
die 800 Märtyrer von Otranto. Selig gesprochen wurden bis
15. September 2019 insgesamt 996 Personen, darunter 522
Märtyrer des spanischen Bürgerkriegs.
1 ▲ Der Beauftragte für
Heiligsprechungen im Erzbistum Köln, Prälat Helmut
Moll, erklärte im Interview mit
katholisch.de, warum
Personen des Alten TestamentsWir verwenden den Begriff Altes Testament, wissend um seine Problematik, weil er gebräuchlich ist. Die hebräische Bibel, der „Tanach” - Akronym für „Torah” (Gesetz, die fünf Bücher Mose), „Nevi'im” (Propheten) und „Kethuvim” (Schriften) - hat aber natürlich ihre unwiderrufbare Bedeutung und Würde.
in der katholischen Kirche nicht als heilig gelten können: Ihr Leben wird heilsgeschichtlich unter dem Gesetz der
gebrochenen Natur des Menschen betrachtet. Das heißt man spricht konkret von der natura lapsa. Die biblische
Schöpfungsgeschichte erzählt in Genesis 3, was der Auslöser für die gefallene Natur war.
Eva hat sich von der Schlange betören lassen und die Frucht vom verbotenen Baum
gegessen. Der sogenannte Sündenfall der Stammeltern beginnt und wird auf alle Personen des Alten Bundes übertragen. Die
Personen des Neuen Testaments leben schon unter dem Gesetz der erlösten Natur, der natura elevata. Durch
Jesus Christus sind sie von der Ursünde erlöst.
2 ▲ Bis zur Reform des Verfahrens durch Papst Johannes Paul II. 1983 waren für die Seligsprechung zwei Wunder, für die Heiligsprechung zwei weitere Wunder gefordert.
3 ▲
1588-1600 | | 1601-1700 | | 1701-1800 | | 1801-1900 | | 1901-1978 | | Summe | ||
Selig- | 0 | 107 | 28 | 419 | 426 | 980 | |
Heilig- | 1 | 30 | 3 | 179 | 28 | 231 | |
sprechungen |
Selbstdarstellung der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse auf der Homepage des Vatikans. Heiligsprechungen zwischen 1982 und 2009 stellt sehr informativ mit Biografien - teilweise in Deutsch - und Fotos das Büro für liturgische Feiern mit dem Heiligen Vater dar, von dort gibt es auch Darstellungen von Seligsprechungen in den Jahren 1979 bis 2008.
Den ganzen Text der
Apostolischen Konstitution zur Durchführung von Kanonisierungsverfahren
aus dem Jahr 1983, dazu den gesamten
Codex des kanonischen Rechtes
gibt es als auch im
Internet zu lesen.