Königtum Mariens im Marienlexikon
1. König in gesellschaftlicher Bedeutung. Nach altdt. Sprachgebrauch kann der König als das
Haupt des Geschlechts, der Familie, des Stammes — primus in stirpe — verstanden werden. Seine wichtigsten Aufgaben
sind Mehren und Schützen; er muss Recht und Frieden nach innen und außen wahren. Dem lat. rex liegt das Verständnis
von Lenken und Leiten zugrunde, und zwar im Sinne des Richtigen: gerade richten. Das griech. Wort βασιλεύς ist
wahrscheinlich Lehnwort einer vorgriech. Sprache. Was man gewöhnlich mit König
übersetzt, muss nach A.
Manzmann historisch streng differenziert werden, da die verschiedenen Zeitalter den Begriff in bezug auf politische,
rechtliche, religiöse, kulturelle, soziale Funktionen ganz verschieden fassen
. Was hier für den griech.
Sprachbereich gesagt ist, gilt auch hinsichtlich anderer Völker und Kulturen, es gilt ebenso für das heutige
Verständnis des Begriffs.
Im biblischen Sprachgebrauch begegnet uns das Wort maelaek, dessen Etymologie unbekannt ist. Vielleicht liegt
ihm eine ursemitische Wurzel zugrunde, die in den verschiedenen semitischen Sprachen eine je eigene semantische
Entwicklung durchlaufen hat; als akkadisches Lehnwort ergibt sich vielleicht ein Bezug zu der Bedeutung Ratgeber
.
Bei seiner Verwendung im Hebräischen handelt es sich nach K. Seybold um einen Rahmenbegriff mit einem sehr
allgemeinen und weitgefassten Bedeutungshorizont, der erst durch Kontextangaben eine konkrete Füllung erhält:
die Weite und Offenheit des Begriffs lässt daher Raum für Vorstellungen, die sich aus der Welt des Textes und
seiner Sprecher ergeben (Vgl. ThWAT IV 933 — 956). Wir können dem hier im einzelnen nicht nachgehen. Festgehalten
sei nur die Bemerkung G. v. Rads, dass der König, nach antiker Anschauung geradezu die Verkörperung des Volkes,
in Israel in besonderem Maße das Objekt der Gnadenverheißungen Jahwes sein mußte (vgl. ThWNT I 563 - 569).
2.Königtum Gottes, Im AT ist JHWH 13mal Subjekt von mlk. Damit wurde die allgemein Orient. Vorstellung von K. auf Gott übertragen. Selbstverständlich kann nach biblischer Auffassung Gott nicht in gleicher Weise König sein wie ein irdischer Herrscher. Es handelt sich bei dieser Benennung also um eine Analogie, d.h. die Beziehungen der Menschen zu Gott lassen sich mit der zu einem König vergleichen, dabei ist jedoch die Unähnlichkeit der Bezugspersonen immer größer als jede gegebene Ähnlichkeit. Auffallend ist, dass im biblischen Sprachgebrauch die hymnischen Gattungen überwiegen. Als begründete Annahme kann gelten, dass die JHWH-König-Vorstellung nicht erst in der Zeit der Könige aufgekommen ist, sondern bereits vor dem politischen K. vorhanden war; allerdings änderte sich die Vorstellung mit der Staatenbildung Israels und dem damit gegebenen politischen Bewusstsein. Wichtig ist nach Seybold die mit mlk gesetzte semantische Relation der Superiorität: Gott ist der Allererste, der Mächtigste, der Höchste. Damit verbunden ist das Bekenntnis zur Einzigartigkeit JHWHs; er ist der Heilige, dessen Macht sich über die ganze Erde erstreckt, der Herr und König schlechthin. Besondere Beachtung verdienen die JHWH-König-Hymnen (Ps 47; 95 - 99). Hier handelt es sich um eine kultisch-kerygmatische Proklamation des ewigen K.s Jahwes (Vgl. J. A. Soggin in: ThWAT I 908 — 920).
Auch im NT erscheint Gott als König. Das Kommen des Reiches Gottes wird von Jesu verkündet, und zwar so, dass es mit der Bindung an seine Person verknüpft ist. Das ist das entscheidend Neue gegenüber dem Judentum. Dabei wird bes. die unbedingte, grenzenlose Liebe Gottes zu den Kranken und Leidenden, den Armen und Verachteten sowie zu den Sündern betont, jedoch erscheint Gott in den Reich-Gottes-Gleichnissen auch als Gerichtsherr, der Rechenschaft fordert (vgl. U. Lutz und P. Lampe in: EWNT I 481 - 498).
Im NT wird Jesus 38mal als König bezeichnet, davon 26mal in der
Passionsgeschichte. Der Titel König der Juden
(Mk 15, 26) gilt als röm. Formulierung der Strafursache.
Bedeutsam ist, dass der vorgegebene Titel in der Johanneischen Theol. neu gedeutet wird: … der König,, dessen
Königtum in der Welt stattfindet, aber dort nicht seinen Ursprung hat: der Zeuge für die Wahrheit, dessen Herrschaft
darin besteht, dass seine Stimme gehört wird
(Lampe). Beachtet werden muss insbesondere die eschatol. Dimension
des Reiches Christi. Paulus macht darauf aufmerksam, dass das Ende kommt,
wenn Christus jede Macht, Gewalt und Kraft vernichtet hat und seine Herrschaft Gott dem Vater übergibt, denn er muss
herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat … (vgl. l Kor. 15, 24 — 28). Die Mitregentschaft
Christi mit dem Vater kommt Offb 11, 15 zum Ausdruck: Nun gehört die Herrschaft über die Welt unserem Herrn und
seinem Gesalbten, und sie werden herrschen in Ewigkeit
.
3. Königtum Mariens. So wie Gort in seinem Wesen kein Monarch
ist, sondern in der Dreifaltigkeit seines
Seins das All regiert, ist auch Christus kein Alleinherrscher
.
Dem Lamm, das aus der Hand dessen, der auf dem Thron sitzt, das Buch empfängt, gilt das neue Lied: Würdig bist du
… denn du hast mit deinem Blut Menschen für Gott erworben … und du hast sie für unsern Gott zu Königen und
Priestern gemacht; und sie werden auf der Erde herrschen
(Offb 5, 9 — 11). Entsprechend heißt es in Offb 20, 4
und 6: Ich sah Throne; und denen, die darauf Platz nahmen, wurde das Gericht übergeben
. Die hier klar
ausgesprochene Theol. der Mitregierung liegt auch anderen biblischen Aussagen zugrunde, so l. Petr 2, 9: Ihr
seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft
(vgl. Ex 19, 6).
Es ist klar: Der kath. Christ, der das in der Hl. Schrift enthaltene Gotteswort hört und diesem glaubt, wird
all das, was hier gesagt ist, neu bedenken und von Maria sagen. Auf diesem Boden entfaltet sich der Glaube an
das K. Marias. Dabei gilt, was Pius XII. in seiner Enzyklika Ad caeli reginam
sagt: Es ist sicher, dass
Jesus Christus als alleiniger Gott und Mensch im vollen, eigentlichen
und absoluten Sinn König ist; dennoch nimmt auch Maria an seiner königlichen Würde teil, obschon in einer begrenzten
und analogen Weise, da sie die Mutter Christi war, der Gott ist, und weil sie dem Werke des göttlichen Erlösers
beigegeben ist in seinem Kampf gegen die Feinde und in seinem Triumph, den er über sie alle davontrug
(DS 3916.
— G, Soll, 235 — 236. — Ders. in: Beinert-Petri 93 — 231, bes. 158 f.)
Die erste mariol. Festlegung der Kirche geschah im Zusammenhang mit dem
Konzil von Ephesus (431). Die Väter billigten die Lehre
Cyrills: Maria ist Gottesgebärerin, d.h. nicht nur Mutter
Christi (Mutter des Messias), sondern auch Mutter Gottes (vgl. DS 251).
Die Aussage steht eindeutig in einem christol. Kontext: Der Glaube an die Gottheit des Emmanuel sollte verteidigt
und gesichert werden (vgl. DS 252). Der Gott-Mensch Jesus Christus ist uns in allen Anfechtungen des Lebens Hilfe
und Schutz; das ist seine königliche Aufgabe. Wer aber mit ihm lebt, wer von seinem Geist erfüllt ist, der muss
auch anderen Hilfe und Schutz gewähren, so wie es Jesus verlangt: Seid barmherzig, wie euer himmlischer Vater
barmherzig ist
(Lk 6, 36). Er gibt uns das Beispiel des barmherzigen Samariters (Lk 10, 25 — 37). Die Kirche
reflektiert dies auf Maria hin: Niemand hat am Leben des göttlichen Sohnes mehr teilgenommen als sie; sie ist die
Mutter der Barmherzigkeit
, d.h. sie hat den geboren, in dem das Erbarmen Gottes unter uns erschienen ist,
und sie wird weiterhin in der Kraft des göttlichen Geistes dieser Barmherzigkeit Eingang in das Leben dieser Welt
verschaffen. Muttersein ist kein einmalig punktueller Vorgang wie das Mutterwerden, sondern ein Vorgang, der einen
habitus
d. h. einen charakterlichen Wesenszug erzeugt, bei Maria sogar in supereminenter Weise durch die
Eingießung der ihr verliehenen göttlichen Gnade. Sie bleibt daher in der Kraft des Geistes und in der Dynamik ihrer
Persönlichkeit Mutter Gottes in Zeit und Ewigkeit, und aus diesem Grunde wenden sich ihr voll Vertrauen alle zu,
die auf das Erbarmen Gottes warten: Durch Maria kommt es in diese Welt. Gewiss ist sie gegenüber Gott nur dienende
Magd, so wie Paulus nichts als ein Werkzeug der göttlichen Gnade ist. Das
aber schließt nicht aus, dass Gott, der Herr, durch sie, d. h. durch den Einsatz ihrer Person, in diese Welt hinein
wirkt, und insoweit er der Lenker der Welt ist, gewährt er dem dienenden Menschen Anteil an seinem königlichen Tun.
Vor allem aber ist Gott der Vater der Barmherzigkeit. Er macht Maria in dem eben beschriebenen Sinn zur Mutter
der Barmherzigkeit
, damit aber auch zur Königin: Salve Regina, Mater Misericordiae. Die Christen der kirchlichen
Frühzeit hatten das begriffen, als sie in den Nöten ihres Lebens bei Maria Zuflucht suchten: Unter deinen Schutz
und Schirm flehen wir, heilige Gottesgebärerin
.
Entsprechend dem theol. Hintergrund zeigen die frühen künstlerischen Darstellungen Maria in einer hoheitsvollen Haltung. Sie trägt den göttlichen Sohn, den Heiland der Welt, der in die Herrlichkeit des Vaters erhoben, mit ihm herrscht und regiert in Ewigkeit. Als Gottes- und Menschensohn umstrahlt ihn, den wir als den Kyrios verehren und anrufen, göttlicher Glanz. Diese Herrlichkeit umstrahlt auch die Frau, die als lebendiger Thron ihn trägt und der Welt darbietet (zur Ikonographie: LCI III 156 — 198). Im Streit mit den Ikonoklasten hält die Kirche auf dem 2. Konzil von Nikaia (787) daran fest, dass — wie die Bilder unseres Herrn, Gottes und Erlösers Jesus Christus — auch die unserer Herrin, der hl. Gottesgebärerin zu verehren sind, wie freilich auch die der verehrungswurdigen Engel und aller Heiligen (vgl. DS 600).
In der Liturgie wird der Glaube der Kirche bes. in Hymnen und Liedern zum Ausdruck gebracht. Besondere Bedeutung kommen den vier marian. Antiphonen des Offiziums zu: Alma Redemptoris Mater; Ave Regina caelorum; Salve Regina mater misericordiae (wahrscheinlich aus dem 10. Jh., bes. beliebt bei Zisterziensern und Dominikanern); Regina caeli (wohl die jüngste dieser Antiphonen, belegt um das Jahr 1000 als Antiphon zur Ostervesper, wohl aber aus dem Weihnachtsfestkreis adaptiert).
In der neueren Zeit bemühten sich die marian. Kongresse von
Lyon (1900),
Freiburg (1902) und
Einsiedeln (1906) um eine weitere Verbreitung
und pastorale Vertiefung des Gedankens vom K. Marias. Anfang der dreißiger Jahre wurde dazu in
Rom auch eine internat. Gesellschaft
Pro Regalitate Mariae
gegründet, deren Sekretär P. G. M.Roschini OSM war. Theol. Disput löste 1934 L. J.
de Gruyter mit seiner Untersuchung De B. Maria Regina
aus.
Hatten die Päpste in ihren Schreiben Maria schon öfter als Königin
bezeichnet (Belege u.a. bei Roschini,
Manoir und Sträter), so wurde der Gedanke bes. durch Pius XII. aufgegriffen (vgl. AAS 34 [1942] 126. 314 - 319;
35 [1943] 248; 38 [1946] 266; 42 [1950] 763 - 769. 774 - 782. 795).
Die liturg. Verehrung Marias als Königin fand ihren Höhepunkt in der Einführung eines eigenen Festes durch
Pius XII. zum Abschluss des Marian. Jahres, mit dem die Hundertjahrfeier des Dogmas von der
UE gefeiert wurde. Als Gedenktag wurde bei der liturg.
Neuordnung der 22. August genommen und damit dem Fest Mariä Himmelfahrt
zugeordnet. Damit wird der theol. Sinn der Verehrung Marias als Königin verdeutlicht; der Kult wird aus einem
mehr subjektiven Bereich neuzeitlicher Frömmigkeit in den Rhythmus jener altkirchl. Marienfeste gestellt, die
dem Gottesvolk die Geheimnisse des Marienlebens erschließen. Der Eröffnungsvers der Liturgie hebt mit PS 45, 10
das bräutliche Verhältnis Marias zu dem hervor, der ihr König ist: Die Braut steht dir zur rechten im Schmuck
von Ofirgold
(vgl. J. Tyciak: Magd und Königin, 1950, bes. 117 — 124: Königin zur Rechten). Das Evangelium
zeigt sodann Maria als die Mutter dessen, der als Sohn des Höchsten
den Thron seines Vaters David übernehmen wird (Lk 1, 32).
Alles, was Maria ist, verdankt sie der Gnade Gottes, die uns im Lebensopfer Christi erlöst und in der Salbung des Geistes heiligt. Nur durch sie wird der Mensch zum Christen. Alle mariol. Aussagen, auch die vom K. Marias, müssen von dieser Grunderkenntnis aus entfaltet und begriffen werden. Nur in der Kraft des Geistes erhält Maria Anteil am K. Christi, so dass sie als Jungfrau und Mutter zum Heil der Menschen wirken kann. Mit Christus wirken heißt dann auch mit Christus herrschen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass sich die Herrschaft Christi immer im Dienen und im Bezeugen der Wahrheit erweist (vgl. Joh 13, 14; 18, 37).
Die Lauretanische Litanei enthält eine Reihe von Anrufungen Marias als Königin. Da sie einzelne Momente dieses K.s besonders hervorheben, führen sie den Glauben vom allgemeinen zu einem differenzierteren Verstehen. Freilich sind es Bildworte, deren Wahrheit nur dem offenliegt, der glaubt. Wie bei allen Geheimnissen des Gottesreiches gibt es leider Menschen, die sehen und doch nicht sehen, hören und nicht verstehen (vgl. Mt 13, 13). Erlaubt ist aber die Frage der Jünger, was denn mit Gleichnissen und Bildworten gemeint sei (vgl. ebd. V. 36).
Ihrer Struktur nach können die Anrufungen nach zwei Arten unterschieden werden. Da ist erstens eine Reihe von Rufen, die über das konstitutionelle Sein der Gottesmutter theol. Aussagen machen. Die anderen verdeutlichen gleichsam ihren Herrschaftsbereich, indem sie die Art ihres Wirkens mit Hinweis auf jene Gruppen verdeutlichen, die gmäß ihrer Berufung und ihrem Charisma das kirchl. Leben strukturieren.
Königin ohne Erbschuld empfangen: Die UE der sel.
Jungfrau Maria ist die Grundlage ihrer Königlichen Würde. Die Anrufung erinnert an das Dogma von 1854. Mit ihm
wurde ein kath. Meinungsunterschied endgültig entschieden, der auf der Frage beruhte, wie kann Maria voll und
ganz Mensch und damit der Erlösung bedürftig und dennoch vom ersten Augenblick ihres Lebens an voll der göttlichen
Gnade teilhaftig sein. Dies ist keineswegs eine scholastisch-spitzfindige und damit müßige Frage. Vielmehr nimmt
die Kirche Gott ernst, der in seiner absoluten Heiligkeit will, dass auch der Mensch voll und ganz heilig sei.
Durch die Sünde der Stammeltern im Paradies wurde die ursprünglich von Gott geschenkte Heiligung verscherzt. Wenn
der Mensch dennoch in Gemeinschaft mit Gott leben und sogar herrschen soll, bedarf es zuvor der Reinigung, die
Gott ihm ungeschuldet schenken will. Auch Maria bedurfte als Glied des Menschengeschlechtes dieses Gnadengeschenks;
es wurde ihr von Gott so gegeben, dass sie auch nicht einen Augenblick ihres Lebens vom Schmutz der Sünde befleckt
war. So gewährte Gott ihr die volle Teilhabe an seiner Heiligkeit, sowie diese nach des Menschen Maß empfangen
werden kann, Maria wurde damit nicht zur Göttin
, aber als neue Eva
Stammutter jenes neuen Gottesvolkes, das aus Feindeshand befreit Gott furchtlos dient alle Tage in Heiligkeit und
Gerechtigkeit (Lk 1, 74 — 75).
Königin aufgenommen in den Himmel: Auf den theol. Sinn, den die Zuordnung des Festes Maria Königin zum
Geburtstag ihrer Aufnahme in den Himmel zum Ausdruck bingt, wurde
bereits hingewiesen. v
meint Erhöhung in jene Herrlichkeit, wo die Erwählten und Geheiligten Gottes mit Ihm,
dem Höchsten, herrschen in Ewigkeit. Das Fest macht daher gut auf die eschatol. Dimension des Marienlebens
aufmerksam. Jesus sagt: Wenn einer mir dienen will, dann folge
er mir nach; denn wo ich bin, da wird auch der sein, der mir dient. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren
Joh 12, 26). Der Gottesdienst des Menschen hört mit dem Ende des irdischen Lebens nicht auf. So war auch der Dienst
Marias am Gottesreich weder auf die Stunde ihres Gebarens noch auf die gesamte Zeit ihres Erdenlebens beschränkt,
er vollendet sich vielmehr in der Ewigkeit des Himmels.
Königin des hl. Rosenkranzes: Der Rosenkranz wird eröffnet mit dem Gebet um Glaube, Hoffnung und Liebe. In welchem Menschen waren diese göttlichen Tugenden größer und stärker als in Maria? (Rosenkranzkönigin, Lauretanische Litanei).
Königin des Friedens: Gott ist ein Gott des Friedens. Christus
ist unser Friede und unsere Versöhnung (vgl. Eph 2, 14 — 17), insofern ist er der König des Friedens in der neuen
Friedensstadt, die vom Himmel herniederkommt (vgl. Offb 21, 2). Die Jungfrau Maria, die als Mutter Gottes den gebar,
der unser Friede ist, wird mit Recht Königin des Friedens
genannt, da sie gemäß göttlicher Berufung und mit
dem vollen Einsatz ihrer Person dem Gott des Friedens zum Eintritt in diese Welt verhalf. Wie niemand sonst diente
sie so dem Frieden und der Versöhnung; niemand sonst steht dem Frieden Gottes näher als sie. Da sie in allem danach
trachtete, den Willen Gottes zu erfüllen, dient sie auch fürderhin in der Gemeinschaft mit dem göttlichen Sohn
mit allen Kräften ihres Seins der Ankunft und der Ausbreitung des Friedens in der Welt, jenes Friedens, den die
Welt selbst nicht geben kann (vgl. Joh 14, 27). Damit sind bereits einige funktionale Aussagen über die Ausführung
des königlichen Dienstes im Wirken Marias gemacht. Die nun folgenden Anrufungen werden dies in seiner Eigenart
noch eingehender verdeutlichen.
Königin der Engel: Die Analogie von Maria und Engel betrifft nicht
das Sein, sondern die Funktion. Engel sind Boten
; sie verkünden den Menschen Gottes Wort und Willen und
tragen auch die Antwort vor den Thron des Höchsten. Es ist dies eine große Aufgabe und aller Ehren wert, aber Maria
steht Gott näher als jeder Engel. Denn welcher Engel wäre je so innig mit Gottes Wort verbunden gewesen als jene
Frau, die es in ihrem Innern trug und von dorther in die Welt brachte? Eine weitere Aufgabe der Engel ist der
Lobpreis. Wer aber hätte Gott je mehr gepriesen als Maria, da sie das Magnificat
sang? Daher sagt die
Kirche: Im Dienst am Wort und im Lobpreis Gottes ist Maria die Königin.
Königin der Patriarchen: Wie oben erwähnt, sei der König der erste seines Volkes; er ist es, der das
Volk zusammenfasst und es repräsentiert, er ist in persona das Symbol seines Volkes. Israel sagt dies vor allem
vom König David, auch von Salomo, mehr jedoch noch von den Stammvätern
der Vorzeit, von Abraham, Isaak und
Jakob. Ihr Verhältnis zu Gott ist vorbildlich (was freilich bei sündigen
Menschen nicht heißt: immer und in allem ohne Fehl und Schuld), Abraham wird gar als der Vater des Glaubens angesehen
(vgl. Gen 15, 6; Röm 4; Gal 3, 6; Hebr 11, 8; Jak 2, 23). Gott selbst bezeichnet sich als der Gott Abrahams,
Isaaks und Jakobs. Gemäß dem NT können wir Gott als den Gott Marias verehren, wenngleich er sich selbst nicht so
genannt hat. Aber wieder können wir fragen: Wer hatte je einen größeren Glauben als jene, die selig gepriesen wurde,
weil sie geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ
(vgl. Lk 1,45). Sicher ist
Christus der Erstgeborene unter vielen Brüdern
(Röm 8, 29),
der Erste von den Toten
(Kol l, 18; Offb l, 5) — niemand wird ihm dies streitig machen —, dennoch ist Maria
der Anfang eines neuen Geschlechts des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe, die neue Eva
als neue Mutter des Lebens eines neuen Volkes. Freilich wird in der Liebe Gottes das Alte nie kaltherzig beiseite
geschoben und ein für allemal abgetan, so preist denn auch die Kirche Maria als Königin der Patriarchen
.
Königin der Propheten: Der Prophet ist ein Künder und Dolmetscher; er verkündet in der Welt Gott und
macht seinen Willen den Menschen verständlich. Nach Eph 2, 20 ist die Kirche auf dem Fundament der Apostel und
Propheten errichtet. Propheten gab es nicht nur in alter Zeit in Israel, sondern auch in der jungen Kirche. Sie
genossen eine gewisse Autorität und ein bes. Ansehen, da sie die Gläubigen ermahnten und trösteten (vgl. l. Kor 12,
10; 14, 3 — 5). Die Prophetie ist auch imstande, das innerste des Herzens an den Tag zu bringen
(van Imschoot).
Das prophetische Amt übte Maria bes. bei der Verkündigung des neuen Grundgesetzes
im Magnifikat aus. Ebenso
sind die marian. Botschaften als Fortführung des prophetischen Auftrags Marias zu verstehen.
Königin der Apostel: Der Apostel ist nach christl. Begriff Träger der ntl. Verkündigung
(H. Haag).
Gewiss gehörte Maria nicht zu den v
, insofern ist nicht zu fragen, wann und wo sie zum Aposteldienst berufen
wurde. Wenn aber Jesus selbst Apostel
genannt wird (vgl. Hebr 3, 1), dann nimmt sie mit dem ganzen Dienst
ihres Lebens teil an seiner Sendung. Maria ist nach dem Glauben der Kirche Königin dieser Apostel, und der gesamten
christl. Mission; diese ist nichts anderes, als Gottes Werk unter den Völkern.
Königin der Märtyrer: Christus ist der getreue und
wahrhaftige Zeuge
(vgl. Offb 1, 5), dazu in die Welt gekommen, um von der Wahrheit Zeugnis abzulegen (vgl. Joh 18,
37). Für dieses Zeugnis ist er in den Tod gegangen: Zeuge = Märtyrer. Von seinen Jüngern verlangt Jesus, dass sie
in der Kraft des Geistes seine Zeugen seien (vgl. Apg 1, 8); sie besiegelten auch ihr Zeugnis meistens mit ihrem
Blut. Die Schrift erinnert daran, dass Maria im Kreis der zum Zeugnis bestellten Apostel war (vgl. Apg l, 14):
Auch sie hat ihr Christuszeugnis abgelegt. Zwar ist sie nicht als Märtyrer
eines blutigen Todes gestorben,
dennoch verehrt sie die Kirche als Mutter der Schmerzen
.
Sie hat alle Schwierigkeiten, die das Kommen des göttlichen Sohnes in diese Welt mit sich brachten, tapfer
durchgestanden. Zuletzt stand sie mit dem Zeugen der göttlichen Liebe unter dem Kreuz, Maria nimmt hier bes.
Anteil an der Sendung des Gottessohnes, d. h. an seinem Zeugnis, an seinem Opfern und Leiden. Damit bezeugt
sie im Stehen unter dem Kreuz ihren eigenen Glauben. Es ist jener Glaube, aus dem der Gerechte lebt (vgl. Röm
l, 17; Gal 3, 11). Für Maria gab es kein Zurückweichen: so ist sie die Königin der Standhaften
, die nicht
verloren gehen, die vielmehr glauben und das Leben gewinnen (vgl. Hebr 10, 38 — 39).
Königin der Bekenner: Jesus wird jeden, der ihn vor
den Menschen bekennt, vor dem himmlischen Vater bekennen (vgl. Mt 10, 32). Die Kirche zweifelt nicht daran, dass
die Mutter Jesu ihre Kleider nicht befleckt hat
(vgl. Offb 3, 4); daher gilt für sie, was im Buch der
Offenbarung steht: Wer siegt, wird mit weißen Gewändern bekleidet werden … ich werde mich vor meinem Vater
und vor seinen Engeln zu ihm bekennen
(ebd. V. 5). Maria gehört zu jenen, die ihr Zeugnis vollendet haben
(vgl. Offb 11, 7). Die Kirche sieht sie so inmitten jener Wolke von Zeugen
, von denen Hebr 12, l die Rede
ist.
Königin der Jungfrauen: Das Leibliche ist in seiner konkreten Realität Zeichen für dasjenige, was
den eigentlichen Sinn der Jungfräulichkeit ausmacht: Ungeteilte Hingabe des Lebens im Dienst des
Herrn aus reiner, ungeteilter, ungeheuchelter Liebe. Davon
war Maria erfüllt. Wenn Paulus davon spricht er habe die Gläubigen
in Korinth einem einzigen Manne verlobt,
um sie als reine Jungfrau zu Christus zu führen; wenn er aber befürchtet, sie könnten — wie einst die Schlange
durch ihre Falschheit Eva täuschte — von der aufrichtigen und reinen Hingabe
an Christus abkommen (vgl. 2. Kor 11, 2 — 3), dann befürchtet die Kirche solches nicht von Maria, ja mehr noch,
sie nimmt an, dass sie allezeit den guten Kampf gekämpft und den Glauben bewahrt hat (vgl. 2. Tim 4, 7; l. Tim l,
18; 6, 12). So gehört sie sicher zu jenen Jungfräulichen ohne Makel, die dem Lamm folgen, wohin es geht
(vgl. Offb 14, 4 - 5).
Königin aller Heiligen: Wenn Christus will, dass die
ganze Kirche hl. und makellos sei, dann sieht die Kirche dies in Maria wie in keinem anderen Gläubigen sonst
erfüllt. Daher ist sie die Königin aller Heiligen
; in ihr erscheint das letzte Ziel des Glaubens in seiner
Vollendung (Heilige). Ist Maria somit in ihrer himmlischen Erhöhung der Inbegriff menschlicher Heiligkeit, dann
ist sie als Mutter des Herrn zugleich die königliche Zusammenfassung aller Heiligen. Gewiss ist Christus das
einigende Haupt seiner Kirche (vgl. Eph 4, 15; Kol l, 18); er fasst alles zusammen; er ist A und Q, der Erste
und der Letzte und der Lebendige (vgl. Offb 1, 17). In Analogie dazu kann man aber auch Maria als die Erste
aller von Christus Erlösten und Geheiligten verstehen (vgl. J. Ratzinger und H. U. v. Balthasar: Maria — Kirche
im Ursprung, 1980), und als die Letzte, die Zusammenfassung von allem, was Kirche ist in ihrer reinsten Gestalt:
Jungfrau und Mutter, Braut und Königin. Gott schenkt dem Menschen vollendete Gemeinschaft im Kämpfen, im Siegen,
und im Herrschen. Die Kirche hält dieses Gotteswort für wahr, sie sieht es im Leben der Gottesmutter verwirklicht
und in ihrer Vollendung erfüllt. Daher spricht sie von ihrem K.: Für den kath. Christen eine Wahrheit des Glaubens,
die ihn mit Freude erfüllt.
Lit.: J. Auer, Salve Regina, Regina mundi, In: GuL 27 (1954) 328-345. - A.Barre, Marie, Reine du
Monde, In: BSFEM l (1937) 21—76. — Ders., Royaute de Marie pendant les neuf premiers siecles, In: RSR 29 (1939)
129-162. 303-334. - RoschiniMariol. — RoschiniDiz. — T. Bartolemi, Giustificazione deltitolo o fondamenti della
regalità di Maria, In: EphMar 15 (1965) 49—82. — Basilio de San Pablo, La teologia de la realeza de Maria en la
enciclica Ad caeli Reginam
, In: EphMar 6 (1956) 163—191. — R Charles, Salve Regina
. Au seuil de
l'année mariale, In: NRTh 67 (1954) 3-23. - C.Colombo, La regalità della Madonna. Lo stato aftuale della questio,
In: ScC 82 (1954) 487—497. — H. Du Manoir, La royauté de Marie. Etat de la question apres l'ensyclique Ad
caeli Reginam
, In: MeE V, 1959, 1—37 — G.Frenaud, La royauté de Marie dans la liturgie, ebd. 57—92. —
H.Hosteih, La royauté de Marie et assomtion, ebd. 223—237. — G.Jouassard, Royauté de Marie et assomtion, ebd.
73—189. — L.Galati, Marie la regina, 1962. — P.M.Garénaux, La royauté de Marie, 1936. — G.Soll, Maria Königin
(1954), In: HDG III/4, 235f.. - Sträter II 314—349. — SchmausKD 411—427. — E Rademacher, Die Regina Angelorum
in der Kunst des frühen MA, 1972.
E. Fastenrath
II. KUNSTGESCHICHTE
Die in Literatur, Theol. und Liturgie angelegte Verehrung der Mutter und Braut des königlichen
Herrn des Himmels und der Erde als βασιλισσα und Regina coeli
schlägt sich seit frühester Zeit auch in den bildlichen Darstellungen Mariä nieder. Die Attribute kaiserlicher
Würde, die seit konstantinischer Zeit Christus zukommen, werden seit der Entscheidung des
Konzils von Ephesus auch seiner Mutter zuerkannt. Im Lauf der Zeit
wandeln sich die Formen entsprechend dem jeweiligen Hofzeremoniell, doch wirkt das spätantike Herrscherbild im
ganzen MA noch mehr oder weniger weiter.
Seit dem 5. Jh. steht Maria als Theotokos das Purpurgewand zu. Andere Teile der kaiserlichen Hoftracht werden
im Osten nicht auf Maria übertragen. Jedoch übernehmen ihre Bilder große Teile des oström. Hof Zeremoniells. Vom
6. Jh. an präsidiert sie mit ihrem Sohn in den Apsiden der Kirchen, stehend auf einem edelsteinbesetzten Schemel
(Mosaik in der Koimesiskirche von Nikaia,
um 850) oder thronend. Der Sitz, mit oder ohne Lehne, entspricht dem kaiserlichen Thron mit Purpurkissen, Velen,
Suppedaneum und Edelsteinschmuck: Mosaiken in den Apsiden in
Parenzo (um 530/40} und in der Hagia
Sophia in Ístanbul (9. Jh.); Wandmalerei
in der Commodilla-Katakombe in Rom (528).
Dahinter steht sicher auch die Vorstellung vom Thron == Salomos (Hld 3, 9f.). In vielen Darstellungen überwölben
ein Baldachin oder Säulenbögen in Art der kaiserlichen Epiphanie-Arkaden den Thron. Diese Hoheitszeichen bleiben
in der Marienikonographie während des ganzen MA erhalten. Besonders die Velen in vielfach abgewandelten Formen,
im 14. und 15. Jh. oft von Engeln gehalten, spielen eine große Rolle (z.B.
Marienkrönung von M. Fächer, Hochaltar von St.
Wolfgang, um 1480). Auch die muschelförmige Apsis, wie sie sich über der Kaiserin
Theodora im Mosaik von S. Vitale in
Ravenna wölbt, wird für Maria
übernommen (Diptychon, Berlin, s.u.;
Mosaik der Zeno-Kapelle in S. Prassede,
Rom, um 820). Dieses Motiv nimmt die Renaissancemalerei bevorzugt wieder auf (H. Holbein d. J., Madonna des
Bürgermeisters Meyer, Darmstadt, Schloss,
1525). Ein weiteres spätantikes Herrschermotiv sind Sol und Luna zu Häupten Marias (byz. Elfenbeindiptychon,
Berlin, Staatl. Mus., Mitte 6. Jh.). Hier wie in vielen späteren Beispielen stehen Engel als Thronwächter Maria
zur Seite, die Hand im Akklamationsgesrus erhoben, mit Sphaira, Stäben oder Szepter (Parenzo, s. o.; Book of Keils,
Dublin, Trinity-College, Ende 8. Jh.).
Diese Engelgarde ist oft auch der stehenden Maria orans beigegeben (Apsismosaik in
Cefalù, 1148). Engel mit Weihrauchgefäßen
erscheinen nur bei der Gottesmutter mit dem Kind
(Paris, ND, Tympanon des rechten
Westportals, um 1150). Engel mit Leuchtern flankieren die Krönung Mariä am linken Westportal (um 1210); noch
Ingres verwendet im 19. Jh. dieses Motiv. In Gemälden des späteren MA begleitet Maria häufig ein Gefolge von
Jungfrauen als Hofdamen. Auch Engel können Pagendienste übernehmen wie das Tragen der Schleppe (Miniatur im
Stundenbuch des Marschalls de Boucicaut, Paris, Mus. Jaquemart-Andxe, Ms. 2, fol. 65V, um 1405; St. Wolfgang, s. o.).
Höfische Sitte spiegelt oft auch die Haltung des Engels bei der Verkündigung. Östliche Darstellungen des
Themas zeigen Maria meist auf oder vor einem Thron (Ikone aus S.Klemens in
Ohrid,
Skopje, Staatl. Mus., frühes 14. Jh.).
Engel und Heilige umgeben die thronende Madonna fast nur stehend oder kniend; neben Maria zu sitzen, ziemt bis
ins späte 15. Jh. nur Christus und Marias Mutter Anna sowie anderen Frauen
der hl. Sippe, nur im Zusammenhang der Virgo inter virgines und
des Paradiesgärtleins ausnahmsweise auch ihrem Gefolge. Stifter lassen sich in Proskynese oder Kniefall wie vor
dem Kaiser abbilden (Mosaiken in der Apsis von
Santa Maria in Domnica, Rom, um 920 [mit
Papst Paschalis I.] und im Narthex der Martorana in
Palermo, um 1150 [hier (Maria ohne Kind]),
später meist kniend, mit entblößtem Haupt. Ihre Stiftungen reichen sie auf ehrfurchtsvoll verhüllten Händen
dar (Parenzo, s.o.). Ebenso empfangen die Engel beim Tod Mariä die Seele der Gottesmutter. Auch die Kranzspende
an den Kaiser, das Aurum oblatium, wird Maria mit dem Kind dargebracht (Mosaiken in Parenzo und Ravenna, S.
Appolinare in Classe, 6. Jh.). Sicher gelten all diese Ehrbezeugungen in erster Linie dem göttlichen Kind,
chließen aber die Gottesmutter mit ein; vereinzelt werden sie ihr allein gezollt. Nur in Ausnahmefällen wird
zwischen Kind und Mutter differenziert. Auf einer franz. Miniatur (um 1517) krönen Engel das Kind, während Maria
mit der Sacrée Ampoule
des Salböls der franz. Könige dahintersteht (Paris, Bibl. Nat, ms. fr. 145, fol. 33V).
Eine Gruppe von Darstellungen im Westen vom 6. bis 12. Jh. bekleidet Maria direkt mit der byz. kaiserlichen
Hoftracht, der trabea picta und dem Perlenkragen. Das Zentrum dieses Typus liegt in
Rom, ältestes Beispiel sind die Mosaiken
am Triumphbogen von S. Maria Maggiore
(1. Hälfte 5. Jh.). Andere finden sich vereinzelt in
Florenz (S. Marco, Stiftung Papst
Johannes VII, 8. Jh.; S. Vincenzo di Volturno, 9. Jh.;
Arezzo, S.Angelo in Formis, Vorhalle,
spätes 12. Jh.). In einigen Fällen ist Maria als Orantin ohne Kind wiedergegeben. Oft trägt sie dazu die byz.
Kaiserinnenkrone mit reichem Perl- und Edelsteinschmuck und Pendilien (Fresko in
S. Maria Antiqua, 6. Jh. [bez. als
Maria Regina
]; Gnadenbild, von S.
Maria in Trastevere, 8. Jh.). Die Kronenform wirkt noch im Gnadenbild des
Aachener Münsters nach.
Im byz.-ostkirchlichen Raum ist Maria stets ungekrönt dargestellt. Der Westen, wo Maria seit karolingischer Zeit der Regina- und Irnperatrix-Titel zuerkannt wird, übernimmt zunächst die östl. Ikonographie (Elfenbeindeckel des Lorscher Codex, London, Victoria and Albert Mus., um 810). Um die Jahrtausendwende etwa erscheint das Bild der gekrönten Gottesmutter und Königin, wie es ab dem frühen 12. Jh. dann für alle europäischen Länder bestimmend wird, zum ersten Mal im Umkreis Kaiser Ottos III. Die Goldene Essener Madonna trug wahrscheinlich Ottos Kinderkrone, im Widmungsbild des Evangeliars seines Lehrers Bernward halten zwei Erzengel eine Krone auf dem Haupt der thronenden Maria (Hildesheim, Domschatz, Ms. 18, fol. 17). Die gekrönte Madonna zeigen z.B. eine Holzskulptur aus dem Prieure Royal Samt-Martin-des-Champs in Paris (Saint-Denis, um 1130), das in Hirsau entstandene Stuttgarter Passionale (Württemberg. LandesbibL, Bibl. Fol. 56, fol. 56r, um 1130), sowie Tympana aus Salzburg (Mus. Carolino Augusteum, um 1140/50) und Gustorf bei Köln (Originale heute in Bonn, Rhein. Landesmus., um 1150/60). Daneben steht noch um 1200 die ungekrönte Madonna des Bamberger Domportals, begleitet von dem Kronen tragenden Kaiserpaar Heinrich und Kunigunde. In Frankreich folgen den thronenden, gekrönten Marienfiguren der Westportale von Chartres und ND in Paris (1150) und des Reimser rechten Nordportals (1180) im 13. Jh. vielfach stehende Trumeaumadonnen (Reims, 1240; Amiens, 1250; Nordportal von ND von Paris). Auch die engl. Kunst kennt ab dem 12. Jh. die gekrönte Maria-Regina; ebenso zeigt sie 1150 der Altar von Lisbjerg in Dänemark. In Italien bleibt die Krone selten (Skulptur von Giovanni Pisano, Padua, Arenakapelle, 1300; Strozzi-Altar von Orcagna, Florenz, S. Maria Novella, 1357). Die Maler bevorzugen den reichen, von Engeln und himmlischem Hofstaat umgebenen Thron als Zeichen des K.s Mariä (Tafeln von Cimabue [Abb.], Duccio, Giotto [Abb.] u.a.).
Eine span. Figur um 1180 aus der Kathedrale von Solsona verbindet die byz. Hoftracht mit der westlichen Form von Krone und Szepter. Sie fügt als weiteres Hoheitszeichen den auf Salomo deutenden Löwen am Thron hinzu. Der Löwenthron, der gleichermaßen auf Marias Weisheit anspielt wie auf ihre königliche Abstammung aus Davids Stamm, wird Zeichen für ihr K. (Emporenfresko, Gurk, 1220; Glatzer Madonna, Berlin, Staatl. Mus, um 1350). Ähnlich ambivalent in der Bedeutung sind die Herrschaftszeichen des Szepters, das vom Lilienszepter zum Reis aus der Wurzel Jesse hinüberspielen kann, und des Reichsapfels, der sich vom kaiserlichen Globus, wie ihn die Engel am Freiberger Tympanon von 1230 halten, zum Apfel in der Hand der neuen Eva wandelt (Schöne Madonna, Danzig [Abb.], Marienkirche, um 1420; Seeoner Madonna, München, Bayer. Nat. Mus., um 1430). Die Apsiskalotte kann zur Muschel umgedeutet sein (Altartafel von Piero della Francesca, Mailand, Brera, um 1470). Auch die Krone darf nicht ausschließlich als Hinweis auf Mariä K. gedeutet werden. Die Kronenformen entwickeln sich parallel zu den weltlichen Kroninsignien vom edelsteinbesetzten Reif über blatt-, kreuz- und lilienförmige Aufsätze zu kunstreichsten Gebilden im 15. Jh. Ab dem 14. Jh. erscheint die Bügelkrone, bevorzugt im österr.-böhmischen Raum gemäß den Kronen der Luxemburger und Habsburger Herrscher. Die Kronen gehen verschiedenste Verbindungen mit Blütenkranz, v. a. mit Rosen, und dem Sternenkranz der Apokalyptischen Frau ein, wodurch ihr Bedeutungsgehalt variiert wird (S. Lochner, Maria im Rosenhag, Köln, Wallraf~Richartz-Mus., 1. Hälfte 15. Jh.; Marientafel der Kathedrale von Moulins, um 1500; Center Altar der Brüder van Eyck; Maria als Rosenkranzkönigin mit Adolf v.Essen [Abb.], Gemälde von Zurbaran, Posen, 1638).
Seit dem späteren MA trägt Maria als Zeichen ihrer Hoheit bisweilen den königlichen Mantel mit Hermelinbesatz (S. Lochner, Köln, Domaltar, um 1440; E.Fouquet, Tafel, Antwerpen, Mus., um 1450). Nach dem 16. Jh. verschwindet der kostbare Thron. Die Werke der ital. Renaissance und der von ihr beeinflussten Gebiete drücken das K. Mariä in räumlicher Erhöhung, Entrückung auf die Wolken des Himmels und im verehrenden Gefolge von Engeln und Heiligen aus. Häufig thront oder steht die Gottesmutter auch auf der Mondsichel (z.B. Hochaltäre in St. Jakob in Leutschau, 1505 und von Meinrad Guggenbichler in Lochen, Oberösterreich). Erst die Beuroner Kunst des 19. Jh.s nimmt in Monte Cassino das hieratische Thronmotiv erneut auf.
Aus der auf der Mondsichel stehenden Madonna mit Krone und Szepter entwickelt die Kunst der Gegenreformation
in Verbindung mit Motiven der Apokalyptischen Frau und der IC
einen neuen Typus, der bis ins 18. Jh. das Bild der himmlischen Herrscherin bestimmt. Maria, mit der Krone der
Habsburgerinnen und Sternenkranz, auf der Mondsichel oder Weltkugel stehend, hält in der Rechten das Szepter und
auf dem linken Arm das segnende Kind, ebenfalls gekrönt oder den
Reichsapfel in der Hand (Marienstatue, Augustinerkirche in der
Wiener Hofburg, 1770). Als Helferin im
Kampf gegen die Ungläubigen entsteht seit dem Sieg von
Lepanto 1571 das Bild der Maria de
Victoria
. Die himmlische Königin setzt ihren einen Fuß auf die Schlange, den anderen auf den Halbmond, während
das Kind mit dem Kreuzstab die Schlange bekämpft (Pergamentbild zum Dank für die Siege von
Temesvár und
Belgrad, Stift
Seitenstetten, 1720). Von
Paris aus verbreitet sich seit dem 17. Jh.
das Gnadenbild der Königin des Friedens
aus der Kapuzinerkirche. Ab dem 18. Jh. tritt die Darstellung
Marias als Herrscherin zurück zugunsten der IC. Jedoch hält sich dei in der 1. Hälfte des 17. Jh.s in
Rom aufgekommene Brauch der Krönung von
Gnadenbildern. Die Einführung der Feste Maria Königin der Apostel
und Königin aller Heiligen
im 19.
sowie Königtum Mariae im 20. Jh. haben keinen merklichen Niederschlag
in der bildenden-Kunst hinterlassen.
Ein wesentlicher Aspekt von Marias K. ist ihre Befähigung zur Fürbitte in Weltgerichts- und Deesis-Bildern. Das mittlere West-Tympanon von ND in Paris zeigt sie hier knieend mit Krone zur Rechten Christi, ebenso das in Bourges (1270/80). Auch die zahlreichen Darstellungen der gekrönten Maria, unter deren Schutzmantel sich alle Stände bergen, verweisen auf königliches Recht zum Schutz der Hilfsbedürftigen (Tympanon an der von Manuel I. gestifteten Kirche Conceicao Velha in Lissabon, 1520).
Atl. Vorbilder haben das Bild der Regina coeli wesentlich mitgeprägt. In erster Linie bestimmend ist die königliche Braut der Psalmen und des Hohenliedes (Krönung Mariä), Batseba neben ihrem Sohn == Salomo thronend und Ester mit König Ahasver beim Mahl, aber auch Ester, die für ihr Volk bittet und es rettet (Speculum Humanae Salvationis; Maria über David, Salomo und Heiligen, Gemälde der Ghirlandajo-Nachfolge, Lucca).
Vornehmlich fand das K. bildlichen Ausdruck in Werken der repräsentativen Sphäre wie kaiserlichen Stiftungen oder
den franz. Königskathedralen, doch entwickelte sich die gekrönte Himmelskönigin im hohen und späten MA allgemein
zum vorherrschenden Marientypus. Wieweit den Darstellungen ein konkreter politischer Sinn unterlegt ist, muss in
jedem Fall einzeln untersucht werden. Vermutet wurde es bei den röm. Basilissa
-Bildern, der
Freiberger Goldenen Pforte
aus
staufischer Zeit, wo die drei Könige der als Kaiserin wiedergegebenen Madonna huldigen, sowie der mit
Karl d. Gr. verbundenen
Aachener Madonna. Nahe läge es auch bei
den Werken aus dem Umkreis Kaiser Ottos III., der auf einer Darstellung im Warmund-Sakramentar seine Krone von
Maria als Herrin empfängt (Ivrea, Bibl.
Capitolare, Cod. 86, fol. 160V). Maria als Krönende zeigen auch ein Elfenbeindiptychon des 10. Jh.s mit Kaiser
Leon VI. sowie eine Münze Romanos' III.
Eine tatsächliche Proklamation Marias zur Königin der Stadt ist 1260 nach der Schlacht von Montaperti in
Siena belegt und fand ihren bildlichen
Niederschlag in der Maestà Simone Martinis im Palazzo Pubblico (1315) sowie in den Wiederholungen des Themas in
den von Siena unterworfenen Städten Massa
Marittima und San Gimignano. Aus
Siena sind auch zwei der ältesten ital. Darstellungen der Marienkrönung überliefert in einem Altargiebelfragement
um 1280 von Guido da Siena und in Duccios Dornfenster von 1287/88. Überdeutlich wird der politische Aspekt in
gegenref. Zeit. Die kath. Regenten unterstellen ihr Haus und ihr Land demonstrativ dem Schutz und der Herrschaft
Marias. In den Türkenkriegen rufen die Heere sie als ihre Generalissima
an, die Habsburger knien zu ihren
Füßen. Im Dreißigjährigen Krieg erklärt Maximilian I. sie zur Patronin und Herzogin von Bayern und manifestiert
ihre Herrschaft 1638 durch die Müncher
Mariensäule und die Figur der Patrona Bavariae
an der Residenz. In Polen wird die Madonna von
Czenstochau seit dem 15. Jh. als
Schutzpatronin verehrt, in der Mitte des 17. Jh.s von König Johannes Kasimir Wasa gekrönt und zur Königin ausgerufen;
die Ungarn wählen die Madonna von Mariazell
zu ihrer Großherrin. In der franz. Kunst spiegelt sich das Verhältnis des Königshauses zu Maria als seiner Herrin
in verschiedenen Facetten wider. Auf die Notre Dame
der Kathedralen zur Zeit Ludwigs des Heiligen folgt die
himmlische Heerführerin auf der Fahne Jeanne d'Arcs; Fouquet malt um 1450 die königliche Maria mit den Zügen der
Mätresse Karls VII., Agnes Sorel (Antwerpen,
Mus.). 1505 zieht eine Dichtung Parallelen zwischen der Jungfrau Maria und der Königin Anne de Bretagne, 1517 wird
Maria dem Salbgefäß mit dem Krönungsöl verglichen (s. o.). Ludwig XIII. weiht auf Grund eines Gelöbnisses 1638 sein
Land der Gottesmutter; auf einem Gemälde von Philipp de Champaigne übergibt er Krone und Szepter an Maria, die als
Pietà wiedergegeben ist (Caen, Mus.);
eine Wiederholung des Themas von Ingres 1857 für
Montauban zeigt sie in Art der ital.
Renaissance mit dem Kind auf den Wolken des Himmels. Obwohl die Verehrung Mariä als Königin im 19. und 20. Jh. in
vielen Ländern fortlebt — 1895 noch erhebt das Albanische Konzil das Gnadenbild der Mutter vom Guten Rat
zur Landespatronin — wirkt sie in der Kunst nicht mehr typenbildend.
Lit.: Salzer 458—464 — A.Grabar, L'Empereur dans I'art byzantin, 1936. — L. Burger, Die Himmelskönigin der Apokalypse in der Kunst des MA, In: Neue dt. Forschungen 132, 1937. — K.Wessei, Regina Coeli, In: Forschungen und Fortschritte 32 (1958) 11—16. — Ch.Ihm, Die Programme der christl. Apsismalerei vorn 4. bis Mitte des 8. Jh.s, 1960, 55ff. — Th. Klauser, Der Vorhang vor dem Thron Gottes, In: JAG 3 (1960) 1410. - G. A. Wellen, Theotokos, 1961, 158ff. - C.Bertelli, La Madonna di S.Maria in Trastevere, 1961, 47ff. 112ff. — E.Guldan, Eva und Maria, 1966, 14f. — A.Alföldi, Die monarchische Repräsentation im röm. Kaiserreich, 1970. — F. Rademacher, Die Regina Angelorum in der Kunst des frühen MA, 1972. — G.Francastel, Le droit au trône, 1973. — T. A. Heslop, The Virgin Mary's regalia and 12th Century English seals, In: The varvishing past, FS für Ch. Hohler, 1981, 52—62. — U. Nilgen, Maria Regina. Ein polit. Kultbildtypus?, In: Röm. Jahrbuch für Kunstgeschichte 19 (1981) 1—33. — A.Perrig, Formen der politischen Propaganda der Kommune von Siena in der ersten Trecento-Hälfte, In: Bauwerk und Büdwerk im HochMA, 1981, 213—234. - R. W. Scheller, French Royal Symbolism in the Age of Louis XII., In: Sirniolus 13 (1983) 119, 139. - M.L.Thérel, Le triomphe de la Vierge-église, 1984,182ff. — R. L. Freytag, Die autonomen Theotokos-Darstellungen der frühen Jh.e, 1985. - RAG III 20f. - LCIII 9. 666f.; HI 154—210; IV 304f.
F. Tschochner
Remigius Bäumer und Leo Scheffczyk (Hg.): Marienlexikon, Bd. 3, EOS Verlag St. Ottilien, 1991
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korrekt zitieren: Remigius Bäumer und Leo Scheffczyk: Artikel
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